Gegen Ende des Jahres ist die Zeit immer günstig für Wertschätzung und ein kompaktes Resumé. Egal, ob privater oder beruflicher Rückblick – sich an die vergangenen Erfolge und Lerneffekte zu erinnern, birgt viel Potential für Selbstentwicklung.

Dieser Blogbeitrag gilt für mich für beide Kontexte, den beruflichen und den privaten. Denn wo Sie in Ihrem Job regelmäßig auf Kollegen, Kunden, Mitarbeiter oder Vorgesetzte treffen, mit denen Sie kommunizieren und zusammenarbeiten, finden Sie zu Hause Eltern, Partner oder Kinder, deren Bedürfnis es ebenfalls sein wird, mit Wertschätzung und Anerkennung behandelt zu werden.

Eine kurze Einstiegsfrage an Sie: Denken Sie an das letzte Jahr. Worüber sind Sie besonders stolz, dass Sie es erreicht haben?

In Unternehmen, die die Prinzipien der Positiven Psychologie (oder des Positive Organizational Scholarships) ernst nehmen und in die Praxis umsetzen, sind solche Fragen nach einem Projekt oder Berufsjahr nicht verwunderlich.

Es ist nicht überraschend, wenn in solchen Firmen der Chef nach der Nennung einiger Punkte noch weitere hinzufügt und das sagt, was er an dem Mitarbeiter wertschätzt, der in seiner Runde sitzt. Und stellen Sie sich vor, Kollegen stimmen noch in den Lobgesang ein und schenken diesem Mitarbeiter ebenfalls ihre positiven Wahrnehmungen…

Energie pur!

Bedauerlicherweise (noch) nicht die Normalität in Unternehmen. Und leider auch noch nicht im privaten Umfeld.

Es mag viele Dinge geben, die wir aus unserer Arbeit ziehen: Spaß, Inspiration, Lektionen für’s Leben, lebenslange Freundschaften… Aber meiner Meinung nach gibt es nichts Wertvolleres als das Wissen, von Bedeutung zu sein (Zitat twittern), das Wissen, einen einzigartigen Wert für das große Ganze beizutragen – und dafür Anerkennung zu bekommen.

Ehrlich gewertschätzt zu werden, hebt die Stimmung und Energie der Mitarbeiter. Und es erhöht gleichzeitig das Engagement, fand eine weltweite Studie von Towers Watson heraus.

Im schlimmsten Fall fühlen wir uns sicher, wenn wir wahrgenommen und geschätzt werden. Sich sicher zu fühlen, ist eine extrem gute Basis, frei seine Arbeit zu verrichten und das gut zu tun. Im besten Fall kehren wir unsere Stärken mehr heraus, nutzen unser Potential und zeigen, dass wir zurecht gewertschätzt wurden.

Wenn unsere Werte allerdings in Gefahr sind, kann es passieren, dass unsere Gedanken vornehmlich zu den Unterschieden zwischen eigenen und fremden Werten abschweifen. Die Aufmerksamkeit auf unsere Wert schaffende Arbeit schwindet. Geschieht dies über mehrere Wochen oder Monate, ist nicht nur die Arbeitsqualität in Gefahr, sondern ebenso unsere Zufriedenheit.

Doch Führungskräfte müssen nicht immer ihre eigenen Werte durchboxen. Es genügt häufig, die Werte und die diese Werte vertretende Person anzuerkennen und zu wertschätzen.

Geschieht noch nicht einmal das, passiert mit hoher Wahrscheinlichkeit das, was Reinhard Sprenger (Sprenger, 2008) wunderbar in einem Satz zusammenfasst:

Menschen kommen zu Unternehmen, aber sie verlassen Vorgesetzte.
(Zitat twittern)

In Julia Stirlings Artikel Workers in search of the exit betont Susan Heron (CEO des Australian Institute of Management) die Wichtigkeit, eine positive Arbeitskultur zu schaffen. Sie sagt, “Mitarbeiter müssen wissen, dass sie wertgeschätzt sind, dass ihnen zugehört wird und sie verstanden werden. Sie müssen sicherstellen, dass die Mitarbeiter wissen, dass das, was sie tun, einen Unterschied macht und bedeutsam ist.” (freie Übersetzung des Autors)

Leichter gesagt als getan.

Warum sprechen wir Wertschätzung nicht offen aus?

Kennen Sie dieses Gefühl: Sie möchten jemandem ein ernst gemeintes Kompliment zu seiner Arbeit machen und stottern bereits beim Denken drei verschiedene Sätze zusammen, von denen keiner für Sie zufriedenstellend ist? Wieso passiert es so oft, dass sich offenes Lob oder der Ausdruck von Wertschätzung für andere Menschen so leicht gekünzelt, gefühlsduselig, unaufrichtig und folglich unbehaglich anfühlt?

Eine für mich schlüssige Erklärung: Wir sind es nicht gewohnt. Wir sprechen die Sprache der positiven Emotionen in Arbeitswelt und Privatleben noch nicht fließend. Wir stammeln und hören uns in komplizierten Sätzen reden, wir vergessen die Vokabeln, die ein aufrichtiges Kompliment oder Lob einfach und glaubhaft machen würden. Der Muskel der positiven Emotionen ist für viele von uns untrainiert, dass wir uns seltsam fühlen, wenn wir ihn benutzen, um positive Emotionen zu teilen.

Kein Wunder.
Nur wenige ermutigen uns, diesen doch so wichtigen Muskel aufzubauen. Stattdessen üben wir uns in Kritik, negativen Anmerkungen und verhalten uns viel zu häufig reaktant und defensiv gegenüber unseren Mitmenschen.

Oftmals fällt – wenn überhaupt – viel zu spät auf, wie zersetzend, angreifend und schädigend diese negative Art des Verhaltens ist. Denn wie der dreckige Tropfen, der das gesamte saubere Fass verschmutzen (und zum Überlaufen bringen) kann, hat auch die wenig wertschätzende Weise der Kommunikation einen vergiftenden Effekt (lesen Sie in diesem Zusammenhang hier, was die Losada-Ratio ist und damit zu tun hat).

Mehr Wertschätzung – mehr Leistung

Wertschätzung ist weit mehr als nur das Aussprechen von einem “Danke, gut gemacht!”, obwohl dies sicherlich ein guter Start ist.

Unter Wertschätzung fällt z.B. das Zeigen von Respekt, anderen Aufmerksamkeit zu schenken, die Stärken, das Selbstbewusstsein und dahingehend auch die Wirksamkeit der Menschen um sich aufzubauen. Alle diese Verhaltensweisen schaffen starke, respektvolle Beziehungen.

Welche praktischen Möglichkeiten gibt es, mehr Wertschätzung zu äußern und damit das Engagement und folglich auch die Freude, Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter zu erhöhen? Und was haben jene vermaledeiten positiven Emotionen damit zu tun?

Was können wir von positiven Emotionen lernen?

Wenn wir über Wertschätzung sprechen, sind positive Emotionen der gleiche Atemzug, denn sie sind gleichzeitig Input sowie Output.

Barbara Fredrickson listet in ihrem Buch Die Macht der guten Gefühle zehn positive Emotionen, von denen mindestens fünf meiner Ansicht nach eine wertschätzende Haltung fördern. Sie können sich das zunutze machen:

  1. Inspiration: Wessen Aktionen, Verhaltensweisen oder Art inspiriert Sie? Lassen Sie es diese Person wissen.
  2. Interesse: Wenn Sie ohnehin neugierig durch die Welt gehen, wird Ihnen dieser Schritt leicht fallen. Seien Sie offen, neugierig und interessiert an anderen. Lernen Sie sie kennen und versuchen Sie dies wertfrei und ohne Urteil zu tun. Als wären Sie in einem Zoo unterwegs.
  3. Stolz: Halten Sie Ausschau nach dem, was Ihre Mitmenschen stolz macht. Fragen Sie nicht nur am Ende des Jahres danach (sondern möglicherweise beim Kennenlernen neuer Menschen). Anerkennung für (noch so kleine) Erfolge ist ein wichtiger Baustein zum Aufbau von Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit anderer.
  4. Humor: Übermäßig ernst und kritisch zu sein und ausschließlich auf die Probleme anderer zu fokussieren, lässt nicht nur Sie am Ende des Tages freudlos nach Hause gehen, sondern auch die Kritisierten ohne Energie den Feierabend beschließen. Gehen Sie lockerer an Ihre Arbeit.
  5. Dankbarkeit: Wem sind Sie dankbar? Dem Kollegen, der Ihnen bei einer Aufgabe geholfen hat? Der Sekretärin, die Ihnen die Arbeit erleichtert hat? Ihrer Frau, weil sie Ihnen den Rücken frei gehalten hat? Drücken Sie ernst gemeinte Dankbarkeit aus und sagen Sie dazu, warum es für Sie so wertvoll war.

Your positivity is energizing to those around you.
–Barbara Fredrickson
(Zitat twittern)

Und wenn es Ihnen schwer fällt…?

Fällt es Ihnen sogar schwer, sich selbst zu wertschätzen, Ihre Erfolge zu feiern und sich (mental) auf die Schulter zu klopfen? Dann üben Sie Wertschätzung, indem Sie trotzdem bei sich beginnen.

Starten Sie mit dieser einfachen Frage am Ende Ihres Arbeitstages: “Worüber kann ich heute zurecht stolz sein?” Und schauen Sie dabei nicht nur auf das, was Sie geschafft haben. Oft liegt auch viel Wert in dem, was Sie begonnen oder eben nicht getan haben.

Fällt es Ihnen schwer, nicht auf die Dinge zu achten, die noch optimiert werden können? Machen Sie es sich zur Priorität zu beobachten, was andere bislang richtig machen. Auch diese Fähigkeit ist ein Muskel, den Sie trainieren können. Beginnen Sie mit Ihren Kollegen oder Mitarbeitern: Was bringt jeder Einzelne aufgrund seines oder ihres einzigartigen Charakters ins Team oder das Unternehmen ein?

Es ist wie mit dem Schuhebinden eines Kindes: Ein Knoten alleine macht noch keine Schleife. Aber er ist Grundlage für so viel Anderes, Neues, das ebenso wertvoll sein kann.

Fällt es Ihnen schwer, den besten Weg für Wertschätzung zu finden? Jede Person hat einen bevorzugten Weg, wie sie Anerkennung am liebsten gibt oder entgegen nimmt. Wohingegen etliche es hassen, vor versammelter Mannschaft gelobt zu werden, ist es für andere das Highlight des Tages, das sie mit geschwollener Brust durch die Flure laufen lässt.

Überlegen Sie, was diese Person schätzt und mag. Egal, ob Sie eine handgeschriebene Notiz verfassen, eine Email schreiben oder eine Dank-Stelle kreieren – seien Sie so spezifisch wie möglich, denn alleine das zeigt, ob Sie genau hingeschaut haben oder Ihr Kompliment “einfach mal so” aus der Reserve hauen.

Fazit

Wir sind verletzlicher und gieriger nach Anerkennung und Wertschätzung als uns bewusst oder lieb ist (Zitat twittern). Zumindest kann ich das für mich selbst sagen, der so gerne unabhängig von der Meinung und dem Lob anderer wäre (es aber nicht ist).

Authentisch wertzuschätzen, was andere für Sie oder mit Ihnen tun, lässt nicht nur die anderen stolzer und freudiger zurück, sondern wird obendrein Ihnen ein besseres Gefühl über sich verschaffen.

Und da der Drang nach Gegenseitigkeit im Menschen tief verankert ist, steigt mit jeder positive Emotionen kreierenden Wertschätzung auch die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Mitmenschen mehr in ihre Arbeit oder in Sie investieren.

 

Foto: fotolia

Literatur

Groll, T. (2011). Wetten, dass Sie sich das nicht trauen? zeit online. Zugriff 23.12.2014

Fredrickson, B. (2011). Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert. Campus Verlag Frankfurt/New York.

Sprenger, R. K. (2008). Wer schlecht führt, fliegt. manager magazin online. Zugriff 28.07.2009

Stirling, J. (2011) Workers in search of the exit. The Australian. Zugriff 23.10.2014

Tower Watson (2012). Global workforce study. Engagement at Risk: Driving Strong Performance in a Volatile Global Environment,” Tower Watson.