Ich bin ein Fan der Dankbarkeit. Ich versuche sie bei anderen und bei mir so oft es geht wach und ins Gedächtnis zu rufen.

Würden wir jedoch jedes kleine Etwas, jede liebe Person wertschätzen, hätten wir vor lauter Kundtun dieser Wertschätzung keine Zeit mehr, diese Dinge zu erleben und zu genießen. Es ähnlich dem ständigen Blicken durch den Sucher eines Fotoapparates: schöne Bilder festhalten zu können ist ein Segen, aber die Wirklichkeit ist noch unschlagbar.

Aber… Hand auf’s Herz: wir könnten öfter schätzen, was oder wen wir haben, oder? Und auch ohne den lieben langen Tag Lobeshymnen auf das gute Leben zu singen tut es nicht weh, sich das vor Augen zu führen, was man hat und an Möglichkeiten zur Verfügung steht.

So ist es normal, dass wir die wache Zeit unseres Tages nicht ständig dankbar umhertaumeln. Das liegt auf der einen Seite an der Gewöhnung an Menschen, Dinge und Situationen. Alles, was anfangs noch schön, aufregend und neu ist, wird mit der Zeit gewöhnlich(er). Das kann positiv sein, wie das Angst machende Sprechen vor Publikum, hat aber ebenfalls eine negative Seite. Beispielsweise wenn man vergisst, Wertschätzung zu zeigen oder gar nicht mehr zu empfinden.

Es gibt dagegen Dinge, die Sie tun können, um zumindest das Gefühl der Dankbarkeit und Wertschätzung offensichtlicher und bewusster zu erleben. Denn durch das Wissen über die Schönheit wird zusätzlich die Wichtigkeit dieser Gefühle für unser Wohlbefinden offensichtlicher.

Was kann man täglich dafür tun, dankbar zu sein?

Was du genießest vom Tag, das ist dein Reichtum. –Aus Indien

1. Bewusstheit schaffen für das, was man (zu schätzen) hat

Versuchen Sie in Ihrem Alltag die Dinge zu benennen, die Sie für gegeben sind. Hier ein paar Beispiele, bei denen Sie jetzt den internen Check machen können:

  • Ihre Freunde: Bei welchem Ihrer Freunde sind Sie enttäuscht, wenn er Sie versetzt? Vielleicht, weil Sie gerne mit ihm etwas unternommen hätten? Vielleicht, weil Sie mehr Zeit von ihm für sich erwarten?
  • Ihre Familie: Haben Sie Geschwister, die für Sie „normal“ weil eben Ihre Geschwister sind? Sind Ihre Eltern, die schon immer auf der Welt waren, noch etwas, das Sie bewusst wahrnehmen und schätzen?
  • Ihr Job: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Job (dann sind Sie statistisch gesehen sogar in der Mehrheit)? Falls nicht, liegt es an wirklichen Problemen oder beschweren Sie sich auf hohem Niveau? Was an Ihrem Job macht Ihnen Spaß, wenn Sie genau hinschauen?
  • Ihre Bleibe: Nicht unter einer Wellblechpappe zu wohnen, ist in Deutschland fast gegeben. Aber ist das normal? Schätzen Sie Ihre vier Wände für den Schutz und die Geborgenheit, die Sie Ihnen verschaffen?
  • fließend Wasser, Strom, das Internet, mit dessen Hilfe Sie diesen Artikel gerade lesen
  • sogar Ihre Gesundheit wissen viele erst wieder zu schätzen, wenn Sie sich Ihre Schuhe für eine Zeit lang nicht mehr selber binden können, sich in ihren Wagen hieven oder im Schneckentempo zur Bahn humpeln.

Einst haben Sie sich alles (bis auf die Familie) erarbeitet und haben das bewusst wahrgenommen. Handwerker haben malocht, um das Wasser in Ihr Heim zu legen, um Elektrizität verfügbar zu machen, die wiederum ein anderer vor geraumer Zeit erfunden hat und die Sie jetzt mit Ihrem Verdienten bezahlen. Eine große, fantastische Kette von Fähigkeiten und Einsatz, nicht wahr?

Was ist z.B. gerade in diesem Moment um Sie herum, das Sie zu schätzen wissen und Sie mit dem Ausstrecken Ihres Armes erreichen können?

2. die andere Seite sehen

Unternimmt man eine Reise in ein ärmeres Land, wird einem zumeist schnell bewusst, welche Dinge man dort nicht hat (sogar verglichen mit dem, was wir schon vor 60 Jahren hatten!), die zu Hause vertraut sind. Den Horizont zu erweitern und zu sehen, welch grandiose Taten Menschen in anderen Ländern ohne begünstigende Faktoren oder fortgeschrittene Technik zustande bringen, ist eines der erfüllendsten Erfahrungen, die man meiner Meinung nach machen kann.

Stellen Sie sich vor, Sie wären so aufgewachsen. In einem Ort ohne Strom, ohne warmes Wasser, ohne Computer und Internet. Dort, wo Nachrichten noch zu Fuß überbracht werden, nimmt man Handys als Wunder wahr. Für uns sind sie die meiste Zeit etwas, um die „Zeit zu überbrücken“.

Alleine der Gedanken an das Fehlen all dieser Dinge und Menschen um einen herum reicht größtenteils aus, um Sie – zumindest für einen Augenblick – stärker zu wertschätzen.

3. lernen aus „negativen“ Erlebnissen

Das Gefühl, Wichtiges verloren zu haben, ist eine der schwersten und trübsinnigsten im Leben. Der Gedanke, dass man einen Verlust erlitten hat, kommt allerdings erst nach dem Fall und ist im Nachhinein schwer zu ändern.

Auch, wenn der Verlust von Dingen aufgrund von emotionalen oder finanziellen Gründen weh tun kann, sind materielle Dinge am Ende leichter zu verkraften als menschliche Verluste.

Einen Menschen kann man nicht ersetzen.

Die Dinge, die an ihn erinnern, sind eben nur Dinge und Erinnerungen an diese Person und verkörpern alleine frühere Erfahrungen mit ihr. Der Mensch, der den Ursprung all dieser Erinnerung darstellt, ist für immer fort.

Doch es gibt wenig bessere Lehrmeister als das Wissen um den Verlust eines geliebten Menschen.

Es klingt makaber und skurril, aber trotz der Unmöglichkeit der Wiederbelebung kann die Bewusstheit steigen, dass das Leben endlich ist und somit jede einzelne Minute, jeder Tag unschätzbar wertvoll ist und es sich durchaus lohnt, diese wertvolle Zeit aufzusaugen und zu nutzen, den Menschen seine Wertschätzung mitzuteilen.

Der größte Effekt von allem ist aber folgender: durch die bewusste Wertschätzung der Dinge und Menschen, die einem gegeben sind, will man diese Dinge und Menschen auch.

Man möchte, was man hat.

Dadurch hat man, was man möchte.

Und durch diese Dankbarkeit gehen Gefühle wie Neid und Raffgier zurück und es bleibt mehr Raum für Freude. Für und um die anderen.

Wer dankbar ist über das, was er hat, benötigt keine Vergleiche mit anderen, braucht niemandem hinterher zu laufen und sich zu ärgern, dieses und jenes nicht zu besitzen oder diesen und jenen nicht als Freund zu haben.

Was wäre also, wenn Sie das verlieren, was Sie jetzt um sich haben? Wenn Sie betteln müssten oder einen Job hätten, der Ihre Fähigkeiten weder forderte noch förderte? Und wie wunderbar ist es, diese Dinge doch nicht verloren zu wissen…?!

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