Gibt es Menschen, die Musik nicht mögen?

Für mich ist das schwer vorzustellen. Musik geht in und durch den Körper, ist universelle und leicht zu kommunizierende Sprache und bringt Menschen allerorts näher zusammen.

Jeder Musikbegeisterte weiß um die unglaubliche Kraft, die sie auf Körper, Gedanken und Emotionen ausüben kann.

Und jeder von Ihnen ist bestimmt an einer Stelle des Lebens mit ihr in Verbindung gekommen und hat wahrscheinlich einen sogar bleibenden Eindruck von ihr bekommen. Sie erinnern sich möglicherweise an Kinderlieder, an ein eingängiges Lied aus der Werbung oder den Typen, der auf Plastikeimern in der Fußgängerzone trommelte.

Musik kann einen normalen Tag in einen außergewöhnlichen verwandeln. Sie kann Trost spenden, einen Power-Schub für den Tag geben, entspannen, starke Empfindungen auslösen.

Es schwinden jedes Kummers Falten, solang des Liedes Zauber walten.
Johann Christoph Friedrich von Schiller

Aber ihre Effekte gehen noch weiter und hier sind fünf erstaunliche, die Sie sich – frei und leicht zugänglich – jeden Tag zunutze machen können. Selbst, wenn Sie noch keinen Schlaganfall hatten…

1. Der Ganz-Körper-Schauer

Kennen Sie das: Sie hören ein bestimmtes Lied und auf einmal breitet sich eine Gänsehaut über Ihren gesamten Körper aus? Laut einer Studie von Nusbaum und Silvia (2010) passiert das über 90% von uns.

Wie tief dieser Schauer bei Ihnen geht, hängt von Ihrer Persönlichkeit ab. Menschen, die eine ausgeprägte Offenheit für Erfahrungen besitzen, erfahren in solchen Momenten die stärksten Gefühlsregungen. Diese Menschen spielten laut Studie auch am häufigsten ein Instrument und bewerteten diese Klänge auch eher wahrscheinlich als etwas für sie sehr Wichtiges im Leben.

2. Musik hilft bei Herzkrankheiten

…beziehungsweise verringert sie den Stress und die Angst bei der Behandlung von koronaren Herzkrankheiten. Ein Review über 23 Studien mit insgesamt über 1500 Patienten zeigte bei jenen, die sie hörten, eine Verringerung bei Herzrate, Blutdruck und Angstgefühlen (Bradt & Dileo, 2009).

3. Traurige Musik, die Ihre Stimmung heben kann

Hört man das, wonach einem stimmungsmäßig ist oder richtig sich die Stimmung nach der gehörten Musik aus? Egal, welcher der zwei Richtungen Sie mehr anhängen – „Stimmungs-Management“ (Mood-Management) ist der gewichtigste Grund, warum Menschen musikalischen Fokus lieben.

Jeder Fan weiß, dass fröhliche Töne einen sehr reinigenden, erfrischenden und aufpäppelnden Effekt haben kann. Um so überraschender ist, dass aber auch emotionale, traurige Klänge zu bestimmten Zeitpunkten einen stimmungshebenden Charakter haben kann. Warum ist das so?

Laut einer Studie von Sad music induces pleasant emotion sind traurige Klänge deshalb so erfüllend, weil sie eine interessante, vielfältige Mischung aus positiven und negativen Emotionen erschaffen. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die dargebotene Stücke zwar als tragisch oder traurig wahrgenommen wurden, die tatsächlichen Empfindungen der Teilnehmer aufgrund der gehörten Tonfolgen sie aber dazu veranlassten, sich romantischer, munterer und ebenso weniger tragisch zu fühlen, als die Beschreibung der Musik an sich.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die erfahrene Emotion durch die Musik nicht die Gefahr oder den Schaden bedeutet, die sie im Alltag oft haben kann. Deshalb können wir auch vermeintlich unangenehme Emotionen wie Traurigkeit genießen.

Wenn wir also aufgrund unangenehmer Emotionen leiden, die aus dem alltäglichen Leben hervorgerufen wurden, kann traurige Musik hilfreich sein, diese negativen Emotionen zu lindern.

Michael Tomoff - Was Wäre Wenn - Rockmusik

4. Glückliche Gesichter sehen

Musik kann also bei Ihnen verschiedene Gefühle auslösen. Sie kann auch dazu führen, dass Sie innerhalb von 15 Sekunden die Emotionen auf dem Gesicht eines anderen anders beurteilen!

In einer Studie von Logeswaran et al. (2009) stellten die Forscher fest, dass eine kurze Darbietung von fröhlichen Tönen Teilnehmer dazu brachte, die Gesichter anderer als glücklicher wahrzunehmen. Das gleiche galt für einen Fetzen eines traurigen Stückes, das den Teilnehmern die Gesichter anderer als trauriger erscheinen ließ.

Menschen projizieren also die Stimmung des Gehörten auf anderer Leute Gesichter und verstärken die bereits wahrgenommene Gefühlslage.

5. Musik könnte Ihre Sehfähigkeit zurück bringen

Bei 60% der Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, sind die visuellen Areale des Gehirns betroffen.

Dies führt zu einem „visuellen Neglect“, also einer visuellen Vernachlässigung der betroffenen Seite. Der Patient verliert das Bewusstsein von Objekten auf der Seite, auf der das Gehirn beschädigt wurde.

Studien fanden jedoch heraus, dass Patienten einen Teil ihrer visuellen Aufmerksam zurück gewannen, indem sie ihre Lieblingsmusik hörten (Tsai et al., 2013).

So kann Musik also auch ein wichtiges Instrument in der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten darstellen.

Sie sehen, Musik kann verdammt viel Gutes tun. Aber selbst, wenn Sie noch nicht „krank“ sind oder Probleme mit dem Herzen haben, bitte ich Sie, sich einmal darauf einzulassen und ein kleines Experiment zu machen: Wenn Sie das nächste Mal schlecht drauf sind, werfen Sie einfach Ihre Lieblingsplatte ein und geben sich dem hin, was dann an Emotionen und Gedanken in Ihnen hochkommen mag.

Nutzen Sie die positive Energie der Musik, wann immer Sie wollen!
Viel Spaß damit.

 

Foto: Martin Fisch via flickr

Literatur

Bradt, J., & Dileo, C. (2009). Music for stress and anxiety reduction in coronary heart disease patients. The Cochrane database of systematic reviews, (2), CD006577.

Kawakami, A., Furukawa, K., Katahira, K., & Okanoya, K. (2013). Sad music induces pleasant emotion. Frontiers in psychology, 4, 311.

Logeswaran, N., & Bhattacharya, J. (2009). Crossmodal transfer of emotion by music. Neuroscience letters, 455(2), 129–33.

Nusbaum, E. C., & Silvia, P. J. (2010). Shivers and Timbres: Personality and the Experience of Chills From Music. Social Psychological and Personality Science, 2(2), 199–204.

Tsai, P.-L., Chen, M.-C., Huang, Y.-T., Lin, K.-C., Chen, K.-L., & Hsu, Y.-W. (2013). Listening to classical music ameliorates unilateral neglect after stroke. The American journal of occupational therapy: official publication of the American Occupational Therapy Association, 67(3), 328–35.