Deutschland ist Fußball Weltmeister! Gratulation der deutschen Fußballnationalmannschaft, dem DFB und allen an dieser tollen Leistung Beteiligten!

Was für ein Drama, welch eine Spannung im Finale gegen Argentinien, dass mehr als 35 Millionen(!) Fernsehzuschauer und unzählbar viele weitere beim Public Viewing gebannt verfolgten!

Wahrscheinlich schießen in den laufenden Tagen viele Artikel und Beiträge aus dem Boden, die sich um “unsere” deutsche Mannschaft drehen, mit der wir uns – heute mehr denn je – so gerne identifizieren.

Und beides ist gut, denn was kann es Schöneres geben, als diese grandiose sportliche und menschliche Leistung unter die Lupe zu nehmen und von denen zu lernen, die jetzt auf dem Olymp ihres Erfolges stehen!

Und weil sich die Positive Psychologie mit dem beschäftigt, was gut läuft im Leben, gestatten Sie mir einen Blick auf genau das zu werfen. Was können wir uns – neben all dem, was möglicherweise blöd gelaufen ist – zum Vorbild nehmen, um daraus zu lernen?

1. Teamgeist: Es war nach dem Finale und während vieler Interviews der Weltmeisterschaft 2014 das gefühlt meist genutzte Wort. Ich weiß nicht, wie es Ihnen erging – ich habe es der gesamten Truppe abgenommen.

Das Abschlagen beim Betreten der Stadien, das Reichen von Wasser in jeder möglichen Pause vom Spielfeldrand, das Denken an die und Miteinbeziehen der verletzten und ebenso fehlenden Spieler, die vielfach gepriesene Einheit, die an zahlreichen Stellen nicht nur genannt, sondern zudem gelebt wurde.

2. Humor: Nicht nur in den Interviews war viel Lächeln und Lachen zu sehen. Obendrein direkt vor dem Einlauf auf den Rasen konnten die Kameras aus den Katakomben häufig eine entspannte Haltung einfangen, die mit Sicherheit außerdem durch eine große Prise Humor einzelner Spieler zustande kommen konnte.

3. Demut: Trotz großer Sternstunden auf dem Wege zum Weltmeistertitel blieben die befragten und zitierten Spieler auf dem Boden der Tatsachen und wussten um den weiteren noch harten Weg.

4. Optimismus: Und sie wussten es nicht nur, sondern blieben – trotz des wiederholt kritischen Auges auf die eigene Leistung – beharrlich optimistisch, blickten positiv und erwartungsvoll nach vorne.

5. Fokus: Die deutschen Spieler taten dies Schritt für Schritt, fortlaufend mit dem Blick auf ein Ziel: den Sieg im nächsten Spiel.

6. Willensstärke: Hartnäckigkeit (“grit”) hat eine 2x höhere Voraussagekraft für Erfolg als IQ und dass der deutsche Kader den vierten Weltmeistertitel holen wollte, war über alle Spiele und deren vorbereitende Jahre zu erkennen.

Selbst wenn dieses Ziel voraussichtlich jede der teilnehmenden Mannschaften verfolgte, hatte ich abermals das Gefühl, dass die Erwartungen der Spieler, Betreuer und Zuschauer, gekoppelt mit dem riesigen Potential der Spieler, einen grandiosen Biss entstanden ließen. Und der hilft sodann weiter, wenn mal nicht jeder Pass ankommt und zum Torerfolg führt.

7. Leidenschaft: Teilweise über das Spiel auf dem Grün hinaus erkennbar, deutlich aber weiterhin neben dem Platz: leuchtende Augen, mitfiebernde Blicke, jubelnde Gesten – ich habe keinen Spieler oder Betreuer finden können, der nicht voll dabei war.

Jeder ging auf in seiner zugeteilten Aufgabe und alle taten mehr als nur den Job, für den sie (gut) bezahlt wurden.
Ebenfalls jene, die zurückstecken und erstmal auf der Bank bleiben mussten.
Ebenfalls jene, die unter ihren Möglichkeiten spielten.

8. Flexibilität: So häufig ein neuer Gegner (Mitbewerber? 😉 auf dem Platz stand, so beständig musste umgedacht, flexibel reagiert und adaptiert werden. Es ist wie in der “realen” Wirtschaft – nur schneller nötig.

In dieser Weltmeisterschaft sind viele Spieler auf zahlreichen Positionen mit unterschiedlichsten Aufgaben zum Einsatz gekommen. Von wegen “Never change a winning team”…

9. Offenheit gegenüber Veränderungen: Sich diesen Veränderungen und sich den dazugehörigen strategischen und taktischen Maßnahmen für das Team und den (stets erhofften) Turniersieg unterzuordnen ist eine extrem nützliche Fähigkeit, die Egoismus und (negativ gemeinten) Stolz überwinden kann.

10. Respekt: Sich unterzuordnen zeugt nicht nur von Respekt gegenüber dem Trainer, der per sé das letzte Wort hat. Es zeugt ebenfalls von Respekt gegenüber den Spielkameraden, die in die erste Elf aufgerückt sind und für den Augenblick dort spielen, wo man als Vollprofi und leidenschaftlicher Fußballer selber vor Millionen von Zuschauern gerne gestanden hätte.

Die Mitspieler dessen ungeachtet weiterhin so zu unterstützen wie das jeder “Ersatzspieler” getan hat, führt uns respektvoll zu Punkt 1 dieser Liste, dem Teamgeist.

Aber auch der durchgängige* Respekt für alle gegnerischen Teams, für deren Leistungen, deren emotionale Gefühlslage nach (teils hohen 7:1-)Niederlagen, für die gastgebenden Zuschauer, für die eigenen Mitspieler – er zeugt von viel Reife und Intelligenz.
Oder einer guten Schule.

Man muss nicht unbedingt das Licht des Nächsten ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen.
–Aus Griechenland

*Leider haben Alkohol und/oder ausgelassene Feierstimmung den Respekt nach dem Turnier sinken lassen. Und auch, wenn jeder der deutschen Mannschaft ihre Feierlaune gönnt – das eigene Team zu feiern ist stets noch schöner (anzusehen) als das auf Kosten des Gegners zu tun. Und es kommt mit Sicherheit gleichfalls im Ausland klarer an als die mit viel Interpretationsspielraum versehenen Szenen der Berliner Willkommensfeier.

11. Ausspielen der Stärken: Was in Unternehmen vielfach nur graue Theorie ist, zeigt sich im Sport und insbesondere im deutschen Team als gelebte Praxis. Es war und ist ein Team, wie es sein sollte: Mit Stärken an den Stellen, wo sie gebraucht werden und Schwächen, die durch die Fähigkeiten anderer Teamgefährten aufgehoben wurden und an Relevanz verloren.

Jeder der im wahrsten Sinne des Wortes jetzt ausgezeichneten Spieler hat seine Schwächen und niemand sieht das im Spiel besser als Chef und Kollegen.

Doch die Fähigkeit des 54-jährigen Bundestrainers, die Stärken seiner handverlesenen Spieler flexibel und zugleich punktgenau auszuspielen, zeigt nicht nur einen professionellen Coach, sondern einen ebenso führenden Chef, der überdies gar keine Ambitionen zeigte, sich eigens hochjubeln zu lassen.

Sicherlich ist in einer solchen Aufzählung immer ein wenig horoskopische Willkür enthalten.

Wir als Otto-Normal-Verbraucher sehen häufig nur das, was uns Medientraining der Akteure und Medien zeigen und interpretieren. Wie es hinter den Kulissen ausgesehen hat, können nur die Mannschaft und ihr Stab wiedergeben.

Wären die Recken um Jogi Löw gegen Brasilien oder an anderer Stelle “ausgeschieden”, es wäre – neben dem Empfinden von Sympathie gegenüber der deutschen Mannschaft – doch erneut eine Wiederholung vergangener Kritik geworden und zahlreiche jetzt hoch gejubelte Dinge wären die gewesen, die dem deutschen Team den Kopf/den Titel/die Karriere und was sonst noch gekostet hätten.
Eine Vielzahl jetzt wahrscheinlich euphorischer Artikel hätten enttäuschter ausgesehen.

Aber wie bereits Stromberg sagte: “Hätte, hätte, Fahrradkette”!

Wir sind Weltmeister! Alles richtig gemacht! Und das ist großartig!

Und ich hoffe innigst, dass wir uns das Feiern von Erfolgen ebenfalls noch von der deutschen Mannschaft und voneinander abschauen können…

Fazit: Das (komplette) deutsche Team war auf dieser WM ein vorbildlicher Botschafter für viele erstrebenswerte und tolle Tugenden und Eigenschaften.
Nicht nur für Deutschland.
Für die ganze Welt.

Danke an alle, die zu diesem wundervollen Erlebnis beigetragen haben.
Auch an Sie, liebe Leser.

Foto: Abdullajahiha auf flickr