Wünschen Sie sich auch mehr Zeit für die Dinge, die Sie gerne noch machen würden? Wenn diese Gallup-Umfrage korrekt ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie einer von zweien sind, die ein ähnliches Gefühl haben wie Ex-Harvard-Professor Tal Ben-Shahar es ausdrückt:

Das Leben ist zu kurz, um alles das zu tun, was ich tun muss. Es ist gerade lang genug, die Dinge zu tun, die ich wirklich tun will.

Oder Sie haben sogar das Gefühl, noch nicht einmal dafür Zeit zu haben… Neben den guten Vorsätzen für das jeweils neue Jahr ist der Satz „Wie die Zeit vergeht“ vermutlich einer der meist ausgesprochenen bei Jung und Alt.

Warum das Gefühl der rennenden Zeit vorhanden ist, habe ich für Sie beschrieben. In diesem Artikel steht ein Beispiel für eine Bremsmöglichkeit dieses Gefühls. Dass überdies Nein-Sagen ein probates Mittel sein kann, sich Freiraum zu verschaffen, ist selbstredend.

Heute soll es um eine weitere Möglichkeit gehen, die ebenfalls viel mit Positiver Psychologie zu tun hat und auf einer Studie beruht, die ein auf den ersten Blick skurriles Ergebnis zeigt.

Was wäre, wenn ich Ihnen sagte, dass es eine Lösung dafür gibt, dass Sie ständig das Gefühl haben, zu wenig Zeit zu haben? Was wäre, wenn ich Ihnen sagte, dass Sie anderen dazu Ihre Zeit schenken sollten?

„Das macht keinen Sinn!“ mögen Sie sagen. Wie soll das Gefühl der Zeitarmut schließlich verschwinden, wenn Sie noch mehr von Ihrer bereits geringen Zeit weggeben?! Eine einfache Rechnung, richtig?

Zeit wird unterschiedlich wahrgenommen

Logisch gesehen ist diese Reaktion verständlich. Sie bezieht aber nicht die vielfach verwundenen Wege unserer Wahrnehmung in Betracht.

Unsere Wahrnehmung spiegelt uns Zeit nicht immer auf die gleiche Art und Weise wider. Der eigene Aufmerksamkeitsfokus und obendrein unsere Emotionen beeinflussen die Wahrnehmung über das Verstreichen der Zeit.

Wenn man zwei Stunden lang mit einem netten Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.
–Albert Einstein

Egal, wie viel Zeit wir objektiv haben – was zählt, ist unsere subjektive Wahrnehmung der Zeit. Insofern ist es bei unserer Frage nach dem Wie? wichtig, unsere Wahrnehmung zu verändern.

Wie können wir demnach diese unsere Wahrnehmung zu unserem Vorteil nutzen?

Weniger ist mehr – der Zeit-Geist

Zeit zu verschenken schenkt Ihnen Zeit. (Zitat tweeten)

Diese Hypothese wurde in einer Studie von Mogilner und Kollegen 2012 getestet (Mogilner et al., 2012). Sie gingen der Frage nach, ob man Zeit für sich selbst verbringen soll oder für andere – egal ob Freund oder Fremder.

Was sie fanden: Menschen, die ihre Zeit für andere verbrachten, hatten – im Gegensatz zu denen, die sie für sich beanspruchten oder „verschwendeten“ – danach das Gefühl, sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft über mehr davon zu verfügen.

Das ist seltsam, nicht wahr? Eine normale Reaktion als Antwort auf das allgegenwärtige Gehetzt-Sein ist doch, seine Zeit zu horten und sie anderen gegenüber rar zu machen.

Warum hilft es, anderen seine Zeit zu schenken?

Laut der Autoren dieser Studie verhält es sich wie folgt:

…viel Zeit auf andere zu verwenden gibt den Menschen das Gefühl, sie haben viel mit ihrer Zeit angefangen – und je mehr sie das Gefühl haben, ihre Zeit genutzt zu haben, desto mehr Zeit werden sie gefühlt haben.

Es scheint als würde gut (oder „sinnvoll) genutzte Zeit in unserer Wahrnehmung expandieren und uns die Illusion geben, reich an Zeit zu sein. Ergo: Wenn wir unsere Zeit sinnvoll verbringen, zum Beispiel, indem wir sie anderen Menschen (für sinnvolle Dinge) schenken, fühlen wir uns effektiver und leistungsfähig.

Man könnte fast sagen, wir hätten einen Zeit-Geist…

Natürlich gibt es eine Obergrenze. Und natürlich werden Sie auch weiterhin Zeit für sich alleine brauchen, um nicht vollständig das Gefühl zu haben, „nur für die anderen zu leben“. Einige – wie z.B. Vollzeit-Pflegekräfte – geben längst so viel von ihrer Zeit für andere Menschen, dass ein Mehr davon häufig schädlich wäre.

Aber für den Großteil von uns führt die Entscheidung, wie wir unsere Freizeit verbringen, nicht zwangsläufig durch die Standardwahl „Alleinzeit“ zu mehr Zeit-Geist.
Oder mehr Glücksgefühlen.

Und das schließt die anderen ein.

Überlegen Sie am besten schnell, wem Sie Ihre Zeit dieses Jahr schenken! Vielleicht ja sogar zu Weihnachten ohne Geschenke mit Zeit statt Zeug.

 

Foto: JD Hancock via flickr

Literatur

Mogilner, C., Chance, Z., & Norton, M. (2012). Giving time gives you time. <em“>Psychological Science, 23(10), 1233–1238.