Wir alle reden – das ist die menschliche Natur. Aber über was genau reden wir – über große und schwergewichtige Themen oder eher über kleine Themen? Engagieren wir uns mit großen Worten oder einfach nur mit Small Talk? Und was sagt unser Stil über unser Glücksempfinden aus?

Ein sehr guter Freund von mir ist beruflich im Hotelgewerbe groß geworden. Er kann Small Talk! Er vermag es, seine Gäste nicht nur allesamt beim Namen zu nennen, sondern sich zudem mit fast jedem über fast alles zu unterhalten: das Wetter als Klassiker, die aktuelle Bundesliga-Situation, aber auch über NBA-Ergebnisse, sehenswerte Filme aus dem letzten Jahr oder die TV-Soaps von gestern.

Keine Ahnung, wie er es macht. Aber ich beneide es.

Ich bin nicht gut darin.

Wenn jemand sagt, dass morgen ja wieder die Sonne scheinen soll, ist die Gefahr groß, dass ich klugscheißernd mit “Die Sonne scheint immer, habe ich gehört…” antworte und das danach sofort bereue.

Ich könnte keine 5 Spieler aus der deutschen Nationalmannschaft nennen und wenn man mich auf der Straße nach diversen politischen Ämtern fragte – ich stünde genauso dumm da wie viele von den armen Menschen auf der Straße, denen das Mikro in Comedy Shows unter die Nase gehalten wird und denen stammelnd die Worten fehlen.

Bisher bin ich auch davon ausgegangen, dass es eine beneidenswerte Sache ist, Small Talk zu beherrschen. Ein Indikator für Schlagfertigkeit, Allgemeinwissen, ja sogar der Beweis für die allseits gerühmten und gesuchten “Social Skills”.

Das müssen glückliche Menschen sein, die mit jedem sofort Gespräche anfangen können, nicht wahr?

Vielleicht aber auch nicht.

Small Talk: Gespräch mit beschränkter Haftung.
Ernst Reinhardt

In einer Studie erfassten Matthias Mehl und seine Kollegen (2010) auf mehreren Wegen von 79 Studenten deren Glücksgefühl (“Happiness”). Danach baten die Forscher die Versuchspersonen, vier Tage lang einen Audio-Recorder zu tragen.

In unregelmäßigen Abständen während der Wachstunden wurde ein 30-Sekunden-Aufnahme von dem gemacht, was gesprochen wurde. Das Resultat: fast 24000 Audio-Schnipsel (etwa 300 pro Teilnehmer)!

Diese Schnipsel wurden von den Forschern codiert in entweder

  • Small Talk, definiert als banaler und trivialer Austausch von Informationen (etwa 18% aller aufgezeichneten Gespräche),
  • inhaltliche Diskussion, definiert als der Austausch der Beteiligten über bedeutsame Informationen (etwa 36%) oder
  • eine Restgruppe mit Inhalten, die nicht klar zu einer der zwei anderen Gruppen zugeordnet werden konnte.

Glück hat Tiefe

Die Ergebnisse waren eindeutig:

  1. Glückliche Teilnehmer sprachen häufiger mit anderen. Nicht überraschend, wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass die soziale Basis von Glück unter anderem “die anderen Menschen” (Chris Peterson) und das Verbringen von Zeit mit ihnen sind.
  2. Das Ausmaß von Small Talk hat einen negativen Zusammenhang mit Glück.
  3. Das Ausmaß inhaltlicher Diskussion war positiv mit Glück verknüpft. Glückliche Menschen sind demnach sozial, beschäftigen sich also mit anderen und tun dies auch in der Tiefe.

Wie so oft war auch in dieser Studie die kausale Richtung der Ergebnisse nicht klar. Große Worte könnten demnach zu einem höheren Glücksgefühl führen oder das Glücksgefühl zu großen Worten.
Genauso gut könnte Small Talk zu mehr Unglück führen oder anders herum.

Small Talk führen zu können heißt natürlich ebenso nicht im Umkehrschluss, in Gesprächen nicht auf tiefgehende Themen einzugehen oder das zu tun.

Aber unabhängig davon sind die Ergebnisse für mich interessant, weil ich überrascht war. Ich hätte darauf gewettet, dass die Fähigkeit des leichten Schwatzens über Gott und die Welt ein Indikator für mehr Glück sei. Aber gut, dass es die Forschung gibt…

Noch ein Wort zur Auswertung der Gespräche: Um das Prädikat “tiefsinnig” zu bekommen, mussten die Teilnehmer nicht über den Sinn des Lebens sprechen oder geheimste Geheimnisse offenbaren. Vielmehr hatte ein Gespräch Substanz, wenn der Teilnehmer mit jemandem sprach, der ihm persönlich wertvoll und wertgeschätzt war.

Mit der Annahme im Rücken, dass die Kausalität der Gesprächsthemen hin zu psychischem Wohlbefinden führt, scheint der Lerneffekt aus dieser Studie klar:

Sprechen Sie über das, was (Ihnen) wichtig ist. Vor allem mit Menschen, denen wichtig ist, was Sie sagen. (Zitat twittern)

 

Foto: Dreamstimefree

Literatur

Mehl, M. R., Vazire, S., Holleran, S. E., & Clark, C. S. (2010). Eavesdropping on happiness: Well-being is related to having less small talk and more substantive conversations. Psychological Science, 21, 539–541.