Folgende Fragen lassen sich mit diesem Artikel über die sogenannten „Zwiegespräche“ beantworten:

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie eine Freundschaft vertiefen können? Oder Ihre Partnerschaft verbessern? Sind Sie gar so weit, dass Sie vom „Retten“ einer Beziehung sprechen? Oder sagt Ihre Frau, dass Sie mehr über Ihre Gefühle wissen möchte?

Welches auch immer der Grund dafür ist, mehr Nähe oder Offenheit, stärkere Transparenz oder größeres Vertrauen in eine Ihrer Beziehungen zu erreichen, Zwiegespräche sind ein sehr guter Rahmen dafür.

Die Verwirklichung des Menschen geschieht im Dialog: in der doppelten Fähigkeit, zu reden und zuzuhören, zu antworten, aber auch darin, sich vom Wort treffen zu lassen. Anders gesagt: Dialog, das meint die Bereitschaft zur Kooperation.“
–August Heinrich Henckel von Donnersmarck

Jeden Tag haben wir Dutzende von Zusammentreffen mit anderen Menschen. Persönlich, über das Telefon, über das Internet. Zeitungen, Blogs und Gespräche sind voll von dem Vorwurf, viele dieser Beziehungen zueinander seien oberflächlich, nicht mehr tiefgründig und eher lose Bekanntschaften als tiefe Verbindungen.

Ich erlebe es immer häufiger, dass Termine zusätzlich zum Arbeitskontext auch im Privaten zwischen (Ehe-)Partnern gemacht werden und als normal gelten. „Mittwoch ist unser Tag“. Auf den ersten Blick mag das seltsam aussehen. Wieso sollten sich Partner einen Tag in der Woche im Kalender füreinander blocken?

Auf den zweiten Blick kommt gerade die (qualitative) Zeit mit dem Partner in vielen Beziehungen zu kurz. Er spielt montags Fußball, sie geht dienstags tanzen. Donnerstags bleibt er gerne länger bei der Arbeit, damit er freitags früher gehen kann. Schnell sind die Abende der Woche verplant.

Was liegt da näher, als einem der wichtigsten Menschen im eigenen Leben diese Bedeutsamkeit auch zuzugestehen und sich aktiv Zeit für ihn oder sie einzuplanen!?

Eine wunderbare Methode, diese Zeit konstruktiv und qualitativ hochwertig zu gestalten, sind „Zwiegespräche“ (auf Wikipedia) oder auch der „Dyalog“. Es verbindet das Planbare mit dem Freiraum, der häufig beim Reden fehlt.

„Die kleinste Selbsthilfegruppe der Welt“

Das von dem deutschen Arzt und Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller und seiner Frau Célia Maria Fatia entworfene Selbsthilfekonzept der Zwiegespräche hilft, schwierige Themen auf strukturierte Art und Weise anzugehen und durch wenige Regeln zu gliedern, so dass auf Dauer ein tieferes und besseres Verständnis untereinander entsteht.

Der Vorwurf oder die Belehrung des anderen ist dabei tabu. Das Prinzip „Jeder entwickelt sich selbst und hilft damit dem anderen, sich zu entwickeln“ steht im Vordergrund und soll dazu beitragen, einen positiv geführten Dialog zu entwickeln.

Welche Grundsätze gibt es für Zwiegespräche?

Die wichtigste Voraussetzung der „erfolgreichen“ Zwiegespräche ist die Regelmäßigkeit. Sie ist entscheidend für die Entwicklung des (Gesprächs)Paares.

Die Hauptfrage des Gesprächs ist: „Was bewegt mich momentan am stärksten?

Dabei bilden folgende Punkte einen Leitfaden:

  1. 90 Minuten ungestörtes Reden ist das Ziel. Nicht kürzer, aber auch nicht länger. Vereinbaren Sie wöchentlich einen Haupt- und einen Nebentermin. Setzen Sie sich gegenüber und machen Sie es sich bequem. Sie sollten sich wohl fühlen und eine Atmosphäre schaffen, in der Sie gut miteinander reden können. Stöpseln Sie Ihre Telefone und machen Sie Ihre Handys aus, schließen Sie Besuch aus oder sich ein, wenn nötig.
  2. 15 Minuten im Wechsel. Jeder hat jeweils 15 ungestörte Minuten zum Reden oder Schweigen, bevor der andere an der Reihe ist. In diesen 15 Minuten keine Unterbrechungen.
  3. Bitte keine Zwischenfragen, denn Sie kennen ja das Sprichwort: „Wer fragt, der führt“ und genau das soll in diesen 15 Minuten Ihr Gegenüber machen. Er soll sich auf das konzentrieren, was er sagen will und nicht das, was Sie neugierig kaum erwarten können.
  4. Am Ende der 90 Minuten – nachdem jeder 3x gesprochen hat – ist das Gespräch beendet. Bitte nach diesen 90 Minuten nicht „nachdiskutieren“.
  5. Bleiben Sie bei sich. Sprechen Sie in der „Ich-Form“ („Ich habe das Gefühl, dass du…“ ist keine Ich-Form…). Über Gefühle in der oder über die Beziehung, über Konflikte in der Familie oder am Arbeitsplatz, über Träume. Was bewegt Sie in Ihrem Leben gerade? Lenken Sie nicht von sich auf den anderen, sondern teilen Sie Ihr Erleben mit.
  6. Ändern Sie sich, ändert sich die Beziehung als Ganzes – also auch Ihr Partner.
  7. Schweigen Sie und lassen Sie schweigen, wenn Ihnen oder Ihrem Gesprächspartner danach ist. Zwiegespräche sind kein Offenbarungszwang. Jeder entscheidet für sich, was er sagen und wozu er oder sie auch nein sagen möchte. Mehr Offenheit hat allerdings in der Regel den fruchtbareren Effekt.

Fünf Einsichten als Kern und Basis der Zwiegespräche

Michael Moeller sieht fünf Dinge als zentrale Lerneffekte, die mit der Zeit zu einer tieferen Beziehung und verständnisvollerem Umgang miteinander führen. Sie haben große Wirkung und setzen ein großes Entwicklungspotential frei.

  1. „Ich bin nicht du und weiß dich nicht“. Es entspricht zwar nicht unserer Grundhaltung, aber wir können lernen, dass der andere nicht ist wie man selbst und Vieles anders sieht.
  2. „Wir sind zwei Gesichter einer Beziehung und sehen es nicht“. Kein Mensch steht alleine für sich, sondern steht immer in Wechselwirkung mit den anderen. Wir können lernen, unser gemeinsames vielfach unbewusstes Zusammenspiel wahrzunehmen.
  3. „Dass wir miteinander reden, macht uns zu Menschen“. Über sich zu reden und sich dem anderen mitzuteilen (also seine Gedanken mit dem anderen teilen), lässt eine Beziehung lebendig werden und bleiben. Wir können lernen, das als Chance für ein dynamisches Zusammensein zu begreifen, anstatt Worte nur zur Verwaltung unserer Beziehung zu nutzen.
  4. „In Bildern statt in Begriffen sprechen“. Durch das Erzählen unserer Gedanken über den Alltag und die wichtigen Themen unseres Lebens können wir lernen, unserem Partner konkrete, erlebte Beispiele mit auf den Weg zu geben statt in trockenen, abstrakten Begriffen zu erklären, was wir meinen.
  5. „Ich bin für meine Gefühle selbst verantwortlich“. Gefühle sind ebenso Teil der Wechselwirkungen mit dem anderen. Wir können lernen, diese Gefühle als unbewusste Handlungen mit versteckter Absicht zu verstehen und sie so besser akzeptieren zu können.

Möchten Sie ausführliche Informationen über die Methode des Zwiegesprächs bekommen, besorgen Sie sich das Standardwerk „Die Wahrheit beginnt zu zweit: Das Paar im Gespräch“ von Michael Lukas Moeller als günstiges Taschenbuch. Enthalten sind u.a. Erfahrungen von Paaren, die sich mit der Methode auseinander gesetzt haben und viele Fragen zum Zwiegespräch stellen, die Sie möglicherweise ebenfalls auf dem Herzen haben.

 

Literatur

Moeller, M. L. (1997). Die Wahrheit beginnt zu zweit: das Paar im Gespräch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.