Es gibt wenige Menschen, die alleine durch ihr Auftreten und Verhalten glaubwürdig wirken. Der Dalai Lama ist solch ein Mensch. Wie kann man jedoch glaubwürdig(er) werden, wenn man nicht der Dalai Lama ist?

Glaubwürdigkeit ist doch eine einfache Sache: Man sagt, was man tut, und man tut, was man sagt.
–Daniel Dagan

Glaubwürdig – ein Klacks?

Ganz so einfach, wie es Daniel Dagan sagt, ist es leider nicht. Gerade am Anfang eines Zusammentreffens von Menschen entscheiden max. 150 Millisekunden über Sympathie, Kompetenz und über das Vertrauen, das man dem Gegenüber schenkt. Ist dieser erste Eindruck vertan, braucht es viel Mühe, um ihn zu ändern.

Glaubwürdig zu sein, ist ein großer Vorteil. Denn wem man glaubt, dem hört man zu, dem erzählt man Geheimnisse, dem folgt man. Oft sogar blind. Das erleichtert nicht nur im Privaten das Geschehen, sondern bestimmt auch das Geschäftsleben. Das Stichwort hierbei ist der Trusted Advisor (wie im gleichnamigen Buch von Charles H. Green beschrieben).

Eine knappe Erklärung dieses Begriffs: eine Person oder Institution gewinnt Vertrauenswürdigkeit durch ihre aufgebauten Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Intimität gegenüber der beratenden Person oder Institution und wird damit zum direkten Vertrauten, dem Ansprechpartner der Wahl bei den wichtigen Themen.

Ist jemand integer, hat eine transparente und nicht zu eigensüchtige Agenda, für den zu Beratenden relevante Fähigkeiten und eine bisher erfolgreiche Bilanz aus der Vergangenheit, dann ist er oder sie erste Wahl.

Doch wie wird man glaubwürdig oder steigert diesen Eigenschaft sogar? Ganz konkret und praktisch?

Wer zu seinen Schwächen und Unwahrheiten steht, wirkt glaubwürdig, wer sich in sein Ideal verkleidet, macht höchstens einen guten Eindruck.
–Daniel Mühlemann

Wie auch der Dalai Lama nicht über Nacht zur Glaubwürdigkeit in Person geworden ist (obwohl er einen angeborenen Vorteil hatte…), vollzieht sich desgleichen der Prozess zur vertrauensvollen Person über die Zeit. Über vertrauens- und verständnisvolles und ehrlich aufrichtiges Verhalten.

1. Ehrlichkeit – Schwächen zuzugeben, macht glaubwürdig

Wenn Sie etwas nicht gut beherrschen und das zugeben, ist das langfristig besser als zu lügen und Ihre Schwächen zu vertuschen. Authentisch ist, wer die eigenen Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten nicht nur kennt, sondern auch zu ihnen steht und sie in angemessenem Umfang auslebt. Vielleicht sogar als vorteilhaftes Verhalten in einem anderen Kontext.

Tipp: Überlegen Sie, worin Sie nicht so gut sind (sind Sie vielleicht nicht der Ordentlichste zu Hause?). Und jetzt überlegen Sie, ob das wirklich überall so ist (vielleicht sind Sie dafür ordentlich, was Ihre Bilder oder Ordnerstrukturen auf dem Computer angeht). Warum gibt es da bei Ihnen Unterschiede?

Ehrlich zu sein bedeutet nicht, dass Sie jedem Rede und Antwort stehen oder alles erzählen müssen. Es ist Ihr gutes Recht zu entscheiden, Nein zu sagen oder eine (noch) fehlende Kompetenz nicht hinaus zu posaunen.

2. Werden Sie authentisch!

Ich schreibe hier bewusst nicht „Seien Sie authentisch!“, denn authentisch zu sein und zu leben, will gelernt sein. Viele von uns haben es über die Zeit verlernt oder vergessen, jedoch lässt sich diese Fähigkeit wieder zurück gewinnen.

„Authentizität“ stammt aus dem Griechischen und heißt „Echtheit“ oder „als Original empfunden“. Echt zu sein ist heutzutage nicht leicht (außer man hat Authentizität wie Tieger). Man überlegt, was die anderen von einem erwarten und wollen, was vorteilhaft wäre und sozial erwünscht. Man sagt Sätze, die in einem bestimmten Kontext nützlich sind. Man tut Dinge, bei denen man sich danach fragt, warum man’s eigentlich gemacht hat und fühlt sich irgendwie „neben sich“.

Das merken auch jene anderen.

Authentizität ist Teil Ihrer Ausstrahlung. Sie ist Kern und Ausdruck Ihrer eigentlichen Rolle, Ihrer wahren Person. Sie lässt sich nicht dauerhaft vortäuschen, noch tut es gut, sich über eine längere Zeit anders zu verhalten, als es Ihr Kern Ihnen sagt.

Lernen Sie, Sie selbst zu sein, sich zu vertrauen. Sie müssen nicht jedem gefallen. Haben Sie den Mut, sich nicht zu verbiegen. Verwechseln Sie das jedoch nicht mit Trotz, sondern suchen Sie weiter nach konstruktiven Alternativen, wie Sie „bei sich“ bleiben und nach vorne kommen können.

Tipp: Überlegen Sie, in welchen Momenten Sie über sich sagen: „Das bin wirklich ich!“ Warum gerade in diesen Situationen? Mit welchem Wert hängt dieses Verhalten zusammen und ist das ein Wert, dem Sie vielleicht öfter zusprechen sollten?

Wenn Sie wissen, was Sie (an)treibt, dann haben Sie auch den Grund, mehr von dem Verhalten zu machen.

3. Transparenz – warum machen Sie, was Sie machen?

Offen zu kommunizieren, warum Sie etwas machen, stellt Glaubwürdigkeit her. Den Grund und das Ziel für ein bestimmtes Verhalten zu nennen, macht es nachvollziehbarer und klarer und damit auch verständlicher. Nicht jeder muss gut finden, aus welchen Gründen Sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Aber Transparenz über Ihre Beweggründe und Werte schafft Glaubwürdigkeit. In Ihrem grundeigenen Rahmen.

Auch das Zeigen und Nennen von Gefühlen gehört zur Transparenz. Wenn Sie einem Freund nach Ihrem kleinen Vorwurf „Du meldest dich ja nie!“ noch sagen, dass er Ihnen fehlt und Sie sich auch über Ihre eigene Stille ärgern und deshalb so säuerlich sind, hat das nicht nur Glaubwürdigkeit intus, sondern wird dem Gespräch mit Sicherheit eine andere Richtung geben.

Tipp: Haben Sie Schwierigkeiten, Gefühle transparent auszudrücken? Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt, wenn Ihre Frau von Ihrem Innersten wissen möchte? Dann ist das „Zwiegespräch“ (von Michael Moeller) mit Sicherheit etwas für Sie!

4. Tun, was man sagt – Integrität ist die Übereinstimmung von Werten und Lebenspraxis

Integrität besagt, dass man seinen Worten übereinstimmende Taten folgen lässt. Treue zu sich selbst, also das Gegenteil vom Hang zur Korruption, ist hier Schlüssel zum Ziel.

Ein Beispiel: Sie sagen von sich, niemals hinter dem Rücken anderer zu lästern. Als Sie mit Ihrem Kollegen beim Mittag sitzen, regen Sie sich über die Art und Weise auf, wie Ihr Chef Ihnen gegenüber die Aufgaben verteilt, Ihre Sitznachbarin Ihre Haare gefärbt hat und Ihre Frau sich jeden Sonntag die Lindenstraße „reinzieht“ und sich anschließend mit ihrer Freundin am Telefon verquatscht.

Klarer Fall von fehlender Integrität.
Und woher kann Ihr Kollege wissen, dass Sie – wenn sich Ihre Wege wieder trennen – nicht ebenfalls über ihn etwas Schlechtes zu jemand anderem sagen?

Tipp: Stellen Sie sich im Falle des Lästerns vor, der nicht anwesende Dritte, über den Sie sprechen, steht hinter der Tür oder dem Vorhang und kommt plötzlich hervor. Müssen Sie jetzt überlegen, was er alles gehört haben könnte, ist das ein gutes Zeichen, dass Sie nicht integer waren. Wenn Sie sich Lästerei generell abgewöhnen möchten, ist der EinwandFreie Weg eine wunderbare Übung.

 

Was sagt die Wissenschaft? Das Phänomen der spontanen Merkmalsrückschlüsse!

Dass es wichtig ist, gut über andere zu reden, ist wissenschaftlich bewiesen. Das Phänomen der „spontanen Merkmalsrückschlüsse“ (spontaneous trait transference, STT) zeigt, dass Menschen verstärkt mit den Merkmalen wahrgenommen werden, mit denen sie eine andere Person beschreiben. Einem Bekannten zu erzählen, dass Ihr Chef ein fauler Hund ist führt dazu, dass der Bekannte das Selbe von Ihnen denkt. Gut, dass es in beide Richtungen funktioniert!

5. Verhalten Sie sich konsistent!

Wenn Sie ehrlich sind, sich Fehler und Schwächen eingestehen, zugeben und damit leben, authentisch und transparent das tun, was Ihnen liegt und auch nichts anderes behaupten, sind Sie fast am Ziel. Die einzelnen Merkmale der Glaubwürdigkeit gehen fließend ineinander über und das Training in einem der Merkmale ist zusätzlich fördernd für die anderen.

Wenn aus Ihrem Verhalten durch beständiges Wiederholen bald eine Gewohnheit geworden ist, ist Glaubwürdigkeit gleich um die Ecke. Und die Folge davon? Sie werden sich nicht nur mit dem Dalai Lama gut verstehen…!