Es gibt Menschen, die mit weniger als 100 Gegenständen leben und sich voll dem Minimalismus hingeben. Ich meine nicht die, die dazu aus Gründen der Armut gezwungen sind, sondern jene, die sich aktiv dafür entscheiden.

Weil es übersichtlicher ist.
Weil sie mit ihrem ganz persönlichen Minimalismus dem heutigen Konsumverhalten den Kampf ansagen (wie z.B. Dave Bruno mit seiner 100-Thing-Challenge).
Oder einfach fokussierter und bewusster leben wollen (wie z.B. Leo Babauta mit seinem Minimalistenblog).

In seinem Artikel fasst Thomas Mauch bei imgriff.com ein paar lesenswerte Artikel und Blogs über den Minimalismus zusammen. Und brachte damit mich und den Kreis der Hatemalo-Mitglieder auf eine wie ich finde schöne Idee:

Für den Anfang ist es leichter, mit 100 Dingen weniger zu leben. Warum nicht damit anfangen, 100 seiner eigenen auszusortieren, zu verkaufen und den Erlös unseren Projekten in Nepal zukommen zu lassen?

Die Minimalismus-Idee kombiniert mit dem Wunsch einiger Freunde, das erste Mal auf einem Flohmarkt zu verkaufen, wurde schnell ausgebaut und geplant.

Vier Wochen später standen Flohmarkt-Vermeider zusammen mit Handel-Phobikern und anderen Normalen hinter 8m geliehenen Tischen und mehr als 600 aussortierten Teilen auf einem von Deutschlands größten Flohmärkten hier in Bonn.

Und sowohl Vermeider, Phobiker als auch Normale lernten eine Menge über sich und die Spielweisen des Flohmarkts.

Ich habe über die psychologischen Aspekte eines Flohmarktbesuches geschrieben und möchte an dieser Stelle allen Lesern, die Flohmärkte langweilig finden (und dazu gehörte auch ich), ein paar meiner Erkenntnisse auf’s Auge drücken.

Wer das nicht will, macht jetzt besser die Augen zu.

Was ich persönlich vom Flohmarkt mitgenommen habe

Eines habe ich nicht mitgenommen: Materielles!
Obwohl einige der Gegenstände, die meine Mit-Flohmarkt-Streiter aufgebahrt hatten, durchaus mein Interesse anfeuerte, bin ich ohne Neubesitz wieder nach Hause gefahren und habe dem Kauf- oder Tauschdrang widerstanden.

Aber ich kann guten Gewissens behaupten, dass das nicht ohne eine gründliche Vorbereitung möglich gewesen wäre. Ausmisten steht bei jedem Zweiten auf der Liste.

Und zwar als eine der am häufigsten verschobenen Aufgaben.
Einfacher ist das Ausmisten, wenn man ein Ziel hat.

„100 Dinge weniger für den guten Zweck“ ist ein konkretes Ziel und der Flohmarkttermin macht es gleichzeitig zu einem smarten und damit leichter zu erreichenden.

1. Erkenntnis: Minimalismus macht Spaß

Zum Warmwerden fange ich mit einer nicht neuen Erkenntnis an. Wenn man angefangen hat, seine überschüssigen und zum Abschuss freigegebenen Dinge aufzulisten und in Kisten zu packen, geht es bald schnell und man kann ohne Umwege in einen Minimalismus-Flow geraten.

Wo zuerst wirklich schreckliche und einfach auszusortierende Posten ihren Platz in der Flohmarktkiste bekamen, landeten bald auch Besitztümer mit mehr emotionalem Ballast. Und gerade diese machten am Ende das Glücksgefühl aus, weniger zu haben.

2. Erkenntnis: Geben tut gut – am meisten, wenn es passt

Gerade bei Dingen, an denen wir hängen (weil von Familienmitgliedern geschenkt, lange in Benutzung oder teuer gewesen), tut es gut zu wissen, dass sie in würdige Hände gelangen. Und mit würdig meine ich: Menschen, die sich augenscheinlich und ehrlich über den Kauf freuen. Weil sie wissen, Gutes zu tun oder weil sie lange suchten, was sie jetzt gefunden hatten. Dann kann Minimalismus sogar dazu führen, dass Besitztümer eine bessere Besitzer:in finden.

Die Erfahrung, anderes nicht nur wegzugeben, sondern damit andere Menschen glücklich(er) zu machen (Käufer und Spendenempfänger), ist ein nicht zu unterschätzender Bonus und Motivator.

3. Erkenntnis: 90% aller Käufer wollen feilschen

Die meisten Besucher wollen auf Flohmärkten handeln, egal, von wo und wohin. Egal, ob Minimalismus oder nicht. Es kam mir teilweise vor wie in Das Leben des Brian in folgender Szene.

Feilschen verschafft scheinbar das Gefühl, etwas erreicht oder jemanden mit seinen Fähigkeiten überzeugt zu haben, denn der Käufer ist letztlich der, der Ja sagt oder Nein und somit der am längeren Hebel.

Dumm, wenn er oder sie wirklich haben will, was er oder sie da verhandelt…

4. Erkenntnis: Der soziale Aspekt der Aktion interessiert nicht jeden

Es gab zwei Gruppen von Käufern: die einen, die mit den Worten „Ach, für einen guten Zweck? Nein, dann will ich nicht handeln. Wie viel wollen Sie denn haben?“ gerne bezahlten, was wir forderten und die anderen Gruppe, die bei einen 2€-Kopfhörer auf 1,50€ runter gingen und auch nach mehrmaliger Erklärung der Aktion penetrant bei ihrem Angebot blieben.

Der soziale Aspekt (für einen wohltätigen Zweck zu spenden) kommt auf Flohmärkten nur bei wenigen Menschen als solcher an. Meine Erklärung: nicht jeder hat sich bereits mit der Idee der Spende und der Fremdunterstützung auseinander gesetzt und für viele ist es nicht im preislichen Konzept eines Flohmarktbesuches enthalten, mehr zu geben, als man müsste.

5. Erkenntnis: Akzeptanz kann auf Flohmärkten gut geübt werden

Die Penetranz anderer, den sozialen Zweck des Verkaufs zu ignorieren und stur zu bleiben, kostet viel Energie auf Verkäuferseite. Mir fiel es schwer, Ruhe zu bewahren und nicht patzig zu werden (mein böser moralischer Zeigefinger wuchs schnell mit…). Für mich war es somit eine gute Gelegenheit, mich in Akzeptanz zu üben und an meiner eigenen Ignoranz über die Verschiedenheit der Menschen zu arbeiten.

6. Erkenntnis: der Teamgedanke birgt Enthusiasmus

Um 4 Uhr aufzustehen, in der Kolonne mit 5 vollgepackten Autos zum Flohmarkt zu fahren und zu wissen, alle Beteiligten setzen sich für eine gute Sache ein – das ist toll! Das Packen und Aufbauen, das Handeln (das nicht für jeden eine alltägliche und angenehme Sache ist), der Abbau – es fällt leichter, wenn neben einem noch fünf andere anpacken und voller Energie dabei sind.

Leidenschaft bringt Menschen zusammen. Und sie hat einen nachhaltigen Effekt und lässt solch ein Ereignis lange im Gedächtnis bleiben.

7. Erkenntnis: der Ton macht die Musik

Humor und Höflichkeit sind auch ohne den Verkauf das, was den Spaß am Stehen und Verkaufen hoch hält. Es lohnt sich, die Ruhe zu erhalten (siehe Punkt 5). Und die Erfahrung hat gezeigt, dass selbst bei einem nicht zustande kommendem Verkauf die Freude über den Kontakt, über die Kommunikation und die gegenseitige Wertschätzung größer war, wenn alles unter dem Stern der Höflichkeit und des Humor vonstatten gegangen ist.

8. Erkenntnis: bleib bei deinen Preisen

Wahrscheinlich hole ich mir beim Trödel-König jetzt einen Rüffel, weil ich unter Flohmarktaspekten vollkommen falsch liege. Aber unter Wohlfühlgesichtspunkten ist es einfach so: Preise sollten gleichbleibend und in Relation gering sein. Das ist besser als anfangs zu hoch anzulegen (niemand kauft, was enttäuschend ist) und später alles übrig Gebliebene zu verramschen (man denkt stetig, alles sei mehr wert gewesen). Gerade mit der Spendenidee als Basis der Aktion tut es weh, wenn unter Wert verkauft wird.

Also: höher, jedoch nicht übertrieben hoch anfangen und dann handeln. Das dürfte die meisten froh machen.

9. Erkenntnis: Minimalismus heißt auch „verwerte deine Reste“

Nach dem Flohmarkt trotzdem noch mit zwei beladenen Autos wieder nach Hause zu fahren, kann die Laune trotz eines sehr guten finanziellen Ergebnisses stark mindern. Deshalb sollte man – wenn man sich nicht zeitnah wieder auf einen Flohmarkt begeben will – einen Plan B für die Reste überlegen.

In jeder größeren Stadt gibt es wohltätige Vereine, die gut erhaltene Kleider entgegen nehmen, elektronische Geräte verwerten oder einem auch Bücher und Videos abnehmen. Und wenn man gut auf dem Flohmarkt geübt hat, lassen viele mit sich reden und geben durch den Spendenhintergrund bessere Preise. 🙂

Eine schöne Variante, die Spenden für wohltätige Zwecke und den Verkauf über Ebay verbindet, ist z.B. SocialBay.

10. Erkenntnis: vorher überlegen, was man wo verkauft, spart Zeit und Nerven

Natürlich haben wir viele Fehler gemacht und jeder erfahrene Flohmarktbesucher riecht einen Kilometer gegen den Wind, dass Anfänger vor ihm stehen. Das ist normal und Teil des Lernens. Dementsprechend schließe ich mit einer für den Profi wahrscheinlich ebenfalls trivialen Erkenntnis:

Man kann zwar alles ausmisten und auf den Flohmarkt mitnehmen, aber man sollte nicht erwarten, alles zu guten Preisen loszuwerden – Minimalismus hin oder her. DVDs geben bei Ebay weitaus höhere Preise, Bücher werden auf Flohmärkten generell unter Preis verkauft und haben bei Amazon wertschätzendere (und mehr zahlende) Abnehmer.

Und eine „Flotte Lotte“ kennt jeder zweite über 30 (samt normalem Preis), will aber dennoch niemand für einen Ramschpreis haben. 🙂

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