Die letzten beiden Artikel drehten sich um Anerkennung, Wertschätzung und Lob. Und es wurde deutlich: Man muss nicht erst zu einer exzellenten Führungskraft werden um sich mit positivem Feedback schwer zu tun.
Man genauso gut als Otto Normal gegenüber Lob eine Ablehnung verspüren. Mehr noch: Selbst Profis wie z.B. Coaches, die sich tagtäglich mit diesen Themen zusammen setzen, können eine Abneigung bekommen, wenn sie auf ungewohnt häufiges Lob treffen.
Hier ein Beispiel aus der Praxis.
Teilearbeit als wertschätzende Arbeit mit dem Inneren
Ein für mich faszinierendes Beispiel für die zumindest in Deutschland noch nicht gelebte Lob- und Anerkennungskultur zeigt eine Szene aus meinem Kollegenkreis. Im Coachingkontext besprachen wir die „Teilemodell“ (ähnlich dem „Inneren Team“ von Friedemann Schulz von Thun).
Der innere Schweinehund ist ein pflegeleichtes Tier.
–Dr. Sigbert Latzel
Sie kennen Sätze wie „da war ich nicht ich selbst“, „auf der einen Seite finde ich…, aber auf der anderen Seite denke ich…“, „auf meiner Schulter sitzen Engelchen und Teufelchen“ und sind vielleicht vertraut mit Ihrem „Inneren Schweinehund“ oder dem „Inneren Kritiker“ in Ihnen.
Das Modell der Teilearbeit geht davon aus, dass es innere Anteile eines jeden Menschen gibt, mit denen man in den Dialog treten kann. Nicht nur im Selbstgespräch, sondern auch in einem Coaching.
Das mag ein wenig schräg und ungewohnt klingen. Ungewohnt ist obendrein noch etwas anderes: Bei der Teilearbeit ist es essentiell, die genutzten und angesprochenen inneren Teile wertzuschätzen, sich bei ihnen für den Dialog und ihre Kooperation zu bedanken und nach Bedingungen zu fragen, wenn der Wille zur Zusammenarbeit noch nicht vorhanden ist.
Der Gedanke dahinter ist simpel: diese inneren und oft tief begrabenen Teile eines Menschen sind außerordentlich sensibel und nicht gewohnt, in den „offenen“ Dialog zu gehen. Nicht jeder dieser Teile ist sofort bereit, sich auf diese Konversation einzulassen. Genauso wenig, wie Sie im „echten Leben“ mit jedem anderen sprechen, nur weil dieser um das Gespräch gebeten hat.
Und so kommt zum Thema Wertschätzung zwischen Ihnen und anderen Menschen noch die Wertschätzung Ihrer selbst dazu.
Er meint es doch nur gut
Die letzte, aber essentielle Annahme bei der Teilearbeit ist eine, die jedem von uns auch allgemein im Leben gut täte und meiner Meinung nach unserer aller Lebensqualität erhöhen würde: Man setzt voraus, dass jeder Ihrer inneren Anteile nur Gutes im Schilde führt.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben Hemmungen davor, hübsche Vertreter des anderen Geschlechts anzusprechen. Sie würden gerne einfach nur ein Gespräch beginnen. Ohne Hintergedanken. Doch selbst das klappt nicht und stets kurz vor dem letzten Schritt biegen Sie ab und ärgern sich wieder über sich.
Was ist das Gute daran?, mag man sich jetzt fragen.
Vielleicht schützt Sie ein innerer Teil von Ihnen vor einem Korb, vor einem abschätzigen Satz oder schlimmer: einer simpel arrogant hochgezogenen Braue Ihres Gegenübers. Würden Sie – z.B. in einem Coaching – an einem solchen Verhalten arbeiten wollen, wäre eine Möglichkeit, sich mit diesem schützenden inneren Teil abzusprechen und evtl. einen Deal mit ihm zu verhandeln.
Manche Anteile scheinen extravertierte, sehr offene zu sein und sich schnell zu zeigen. Ein kreativer Teil in Ihnen mag sprühen und gerne rauskommen, wenn man ihn bittet. Vielleicht, weil er ohnehin vielfach zu Rate gezogen wird. Möglicherweise, weil er bereits lange nicht mehr gefragt worden ist.
Der schützende Teil ist womöglich äußerst schüchtern. Aber ob schüchtern oder nach außen gekehrt: Jeder Ihrer Teile mag es, gewertschätzt und ehrlich für seine Offenheit gelobt zu werden.
Als wir die Teilearbeit in der Gruppe besprochen und demonstriert hatten, gab es überraschendes Feedback: Einige meiner Kollegen hatten sogar eine Gänsehaut bekommen, weil ich in einer Demonstration die Anteile des Coachees so häufig und ausgiebig mit Wertschätzung überschüttet hatte. Sie hatten es als unangenehm empfunden, es in dieser Fülle zu erleben und hatten sich gewünscht, es ein-, zweimal zu sagen und damit dem jeweiligen Anteil schon mitgeben zu können, dass er geschätzt und gemocht wäre.
Spannend, dachte ich.
Achtung verbindet Wahrnehmung mit Wertschätzung.
–Helga Schäferling
Das Innere zu schätzen wissen
Wie häufig ärgern wir uns über den Inneren Schweinehund, der uns überredet hat, vor dem Fernseher zu versacken („Regen? Da willst du doch nicht joggen, oder?“)?
Über den Inneren Kritiker, der uns davor abhält, die Bewerbung überhaupt in Betracht zu ziehen („Dafür bist du nicht qualifiziert genug!“)?
Über die Harmonie in uns, die in uns erneut die Oberhand behält und uns vor der Äußerung der ehrlichen Meinung zurückhielt („Das kannst du dem doch nicht ins Gesicht sagen!“)?
Wie oft aber haben wir uns für die gute Absicht bedankt?
Wie schön ist das Gefühl, ein Team von Spezialisten in sich zu haben, die alles können: Kreativ sein, Vorsicht walten lassen, zum Hans-Dampf-in-allen-Gassen werden, das Kindische aufleben lassen, den Cowboy oder Krieger in sich wecken…! Großartig!
Schwierig nur, wenn man mit seinem Inneren nicht so häufig in Kontakt steht. Dann werden Absprachen und alternative Handlungsweisen der eigenen Anteile unwahrscheinlich und zufällig.
Versuchen Sie mal, das Gute daran zu entdecken und sich für diese Absicht zu bedanken. Ganz wertschätzend. Ganz ehrlich. Ganz direkt.
Ich wette, Sie werden Gefallen finden an dieser Art Selbstgespräch. Und Ihre Anteile werden es Ihnen verzeihen…
Guten Morgen,
ich weiss nicht, ob ich den Artikel richtig verstanden habe, in der Stelle.
Mir fällt dazu ein, dass ich mich am Samstag riesig über einen persönlichen Erfolg gefreut habe, der wohl auf dieser Linie liegt.
Beim tag der Vereine in der Stadt stiess ich auf einen Stand mit Pfadfindern, ziemlich jungen, engagierten, freundlichen Menschen also, die sozusagen etwas Gutes tun, ohne Lob zu wollen. das ist sozusagen die Bedingung der Mitgliedschaft.
Ziemlich schwierig, so was, für mich allemale, und deshalb war ich wohl auch niemals Pfadfinder, früher, und für heute
ist es offen gesagt zu spät dafür.
Also sagte ich den lieben Menschen genau das:
– Ich bin nie Pfadfinder gewesen, habe mir aber zum anliegen gemacht, jeden Tag eine positive ungelobte oder nicht als lobenswert so angelegte, d. h. mehr oder weniger anonyme gute Tat zu vollbringen. Sagte, dass eine solche bereits hinter mir liege und verliess darauf fluchtartig das Gespräch, mit einem Lächlen allerdings, denn irgendwie hat sich mein inerer Lob-Kritiker wohl doch über die nicht gelobte oder lobbare Aktionstrâgerperson gefreut.