Wärme gilt als das stärkste Persönlichkeitsmerkmal, wenn Menschen sich gegenseitig sozial beurteilen. Schon in der Uni habe ich die Bindungstheoretiker rauf und runter gehört: Körperkontakt mit und Nähe zu den Betreuern in der Kindheit hat einen großen Einfluss auf gesunde Beziehungen im Erwachsenenalter.

Doch jetzt wird es spannend!

Forschung am Menschen lässt auf einen Zusammenhang an der Verarbeitung sowohl der physischen Temperatur als auch der zwischenmenschlichen Wärme (die oft als Vertrauen gedeutet wird) hin! Sprich: Erfahrungen mit körperlicher Wärme (oder Kälte) können das Gefühl der zwischenmenschlichen Wärme (oder Kälte) erhöhen, ohne dass sich die Person mit Kaffee in der Hand sich dieses Einflusses bewusst ist.

Wärme ist Großzügigkeit

Lawrence Williams und John Bargh (2008) fanden genau dies in einer Reihe von Studien heraus.

In der ersten beurteilten Teilnehmer, die kurz eine Tasse heißen (versus Eis-) Kaffee hielten, eine Zielperson als „wärmer“. Sie sahen Eigenschaften wie Großzügigkeit und Fürsorge in ihrem Gegenüber.

Doch nicht nur die Empfindungen gegenüber anderen Person waren unterschiedlich, je nachdem, ob Versuchspersonen heißen oder eisgekühlten Kaffee in der Hand hielten. In einer zweiten Studie wählten Teilnehmer, die ein heißes (versus kaltes) therapeutisches Kissen hielten, eher ein Geschenk für einen Freund aus als für sich selbst.

Also auch der Aspekt des Gebens kann alleine durch die Art des Getränkes in der Hand stark beeinflusst werden.

Was bedeuten Wärme und Kälte bei Personen?

Wenn ich jemanden als einen „warme“ Person wahrnehme oder als einen „kalten“ Menschen betitele, hat das eine ganze Menge Einfluss auf mein (unbewusstes) Verhalten gegenüber dieser Person. Und genau diese Zuteilung und Wertung geschieht tagtäglich hunderte von Malen bei uns allen. Häufig völlig unbewusst und sogar ohne Kontakt zu diesen Menschen.

Nach neuerer Theorie und Forschung im Bereich der sozialen Kognition wird zwischenmenschliche Wärme als Paket von Eigenschaften bezeichnet. Wir empfinden jemanden als warm(herzig), wenn dessen Absichten uns gegenüber günstig sind. Das schließt Eigenschaften wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit mit ein (Fiske, Cuddy & Glick 2007).

Wir entscheiden schnell: Wärme und Kompetenz

Diese Klassifikation oder Wertung geschieht im Bruchteil einer Sekunde. Die warm-kalt-Einschätzung ist der unmittelbare „First-Pass“ des sozialen Wahrnehmers – der allererste Eindruck. Ist die Person oder Gruppe mir gegenüber ein Freund oder zumindest ein „Nicht-Feind“? Kann ich mit ihr vertraut werden, oder ist sie stattdessen ein potentieller Feind, der versuchen könnte, sich zwischen mich und meine Ziele zu stellen?

Wie kompetent jemand ist, ist ein zweitrangiger Teil des ersten Eindrucks (die sogenannte „Second-Pass“-Bewertung).

Und jetzt kommt das große Finale: Beide Bewertungen machen zusammen den großen Teil von 82% aus, wenn Forscher versuchen, die Unterschiede in der Bewertung des sozialen Verhaltens von uns Menschen zu erklären (Wojciszke, Bazinska & Jaworski 1998)

Vor allem die Wärme- und Kompetenzdimensionen haben sich als die Hauptkomponenten herausgestellt, die jedem in Dutzenden von Ländern untersuchten Gruppenstereotyp zugrunde liegen, sagen Fiske und seine Kollegen. Auch bei anderen Kulturen ist der Faktor „Wärme“ der wichtigste, da die Menschen laut Autoren „empfindlicher auf Wärmeinformationen reagieren als auf Kompetenzinformationen“.

Was hat das Wissen über Wärme für einen Effekt auf Ihr Leben?

Egal, ob Sie sich – wie Carina Kontio vom Audible Magazin – vor dem nächsten Bewerbungsgespräch Papiertücher unter die Achseln stecken (sorry Carina 😉 oder Ihrer zukünftigen Chefin einen Kaffee in die Hand drücken – Wärme ist ein für unsere Wahrnehmung enorm wichtiger Faktor.

Warme Länder, eine innige (warme) Umarmung, ein mitgebrachtes Heißgetränk für einen Plausch zu zweit – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich näher zu kommen, seinen Charakter transparenter und die Welt ein Stückchen besser zu machen.

Und was sind Ihre letzten Worte dazu?

 

Foto: Alehandra13 bei pixabay

Literatur:

Fiske, S. T., Cuddy, A. J., & Glick, P. (2007). Universal dimensions of social cognition: Warmth and competenceTrends in cognitive sciences11(2), 77-83.

Williams, L. E., & Bargh, J. A. (2008). Experiencing Physical Warmth Promotes Interpersonal WarmthScience (New York, N.Y.)322(5901), 606–607.

Wojciszke, B., Bazinska, R., & Jaworski, M. (1998). On the dominance of moral categories in impression formationPersonality and Social Psychology Bulletin24(12), 1251-1263.