Hier und jetzt erfahren Sie, wie genau Priming funktioniert und wie Sie es für ein positiveres Mindset im Alltag anwenden können.
Dieser geschätzte Gastbeitrag ist von Axel Kühnle!
Was ist Priming?
Prime ist Englisch für “vorbereiten, grundieren oder betriebsfertig machen”. Psychologisch gesehen ist Priming die (unbewusste) Reaktion einer Person, nachdem diese einem bestimmten Reiz ausgesetzt wurde. Reize können dabei Bilder, Gerüche, Temperatur und vieles mehr sein und werden in unterschiedlichen Arten von Priming kategorisiert.
Was die Forschenden zu diesem Thema in den letzten Jahrzehnten herausfanden, ist verblüffend: Sind Sie einem bestimmten Reiz ausgesetzt, wird Ihr Unterbewusstsein stimuliert und bestimmt wie Sie darauf reagieren. Das hat natürlich dann Auswirkungen auf Handlungen, Emotionen oder Reaktionen.
Die Effekte des Primings können Sie sich auch positiv zunutze machen. Wie das geht, erfahren Sie in den nächsten Zeilen.
Wie funktioniert Priming
Ihr Langzeitgedächtnis speichert Informationen in sogenannten „Schemata“. Die Aktivierung dieser Schemata kann auf verschiedene Weise erhöht oder verringert werden. Wird die Aktivierung erhöht, werden diese Erinnerungen für Sie leichter zugänglich. Wird die Aktivierung verringert, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Informationen aus Ihrem Gedächtnis abgerufen werden.
Bestimmte Schemata neigen auch dazu, durch einen Reiz zusammen aktiviert und dadurch leichter zugänglich zu werden.
Ein Beispiel: Sehen Sie in einem Text ein bestimmtes Wort, greift Ihr Gehirn schneller auf ein ähnliches Wort zu. Zum Beispiel können ein oder mehrere Wörter in einem Satz, Ihnen helfen, ein verwandtes Wort, das mehrere Bedeutungen hat, leichter zu verstehen. Hier hat Ihr Gehirn vor der Situation die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Wörter zusammen hängen.
Möglicherweise hat das Gehirn Priming entwickelt, um uns dabei zu helfen, schnellere Entscheidungen zu treffen, indem es bestimmte Ereignisse mit Gefahren in Verbindung bringen. Es ist daher nicht völlig klar, warum das Gehirn Priming entwickelt hat und in welchem Fall es zu guten oder eher schlechten Entscheidungen kommt. Dennoch ist Priming im Alltag eine gewinnbringende Möglichkeit, den Fokus mehr auf das Positive zu lenken und Vorteile daraus zu erzielen.
Wie nutzen Sie Priming für Ihren Alltag
Die unterschiedlichsten Facetten des Primings bieten Ihnen viele Anwendungsmöglichkeiten an. Die 7 ausgewählten Beispiele legen den Fokus auf die positiven Effekte des Primings. Sie zeigen Ihnen, wie Sie Priming nutzen können, um Ihr Leben positiver zu gestalten.
Um in der Sprache des Primings zu bleiben: Jedes Beispiel ist in Reiz und Reaktion aufgeteilt.
1. Beispiel positives Priming: Positive Erinnerungen durchleben
Prime umsetzen: Vor schwierigen Situation, wie einer unangenehmen Diskussion, einem Test oder Vorstellungsgespräch, fühlen Sie sich eventuell unsicher und angespannt. Werden Sie stattdessen selbstwirksam in dem sie positive Erinnerungen, wie eine bereits einmal positiv erlebte Prüfung oder auch den glücklichsten Tag Ihres Lebens noch einmal in Gedanken durchleben.
Reiz: Positive Erinnerung.
Reaktion: Selbstwirksamkeit.
Positive Auswirkung: Das Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten hilft, Ihr Engagement zu steigern und herausfordernde Probleme als Aufgaben zu sehen, die es zu meistern gilt.
2. Beispiel positives Priming: Wortwahl positivieren
Prime umsetzen: Vermeiden Sie häufig negativ besetzte Begriffe wie “Stress”, “Druck”, “Anspannung”, “Eile” oder auch “müssen”. Nutzen Sie stattdessen meist positiv assoziierte Wörter wie “Effizienz”, “Kreativität”, “Ziel” oder “Team”. Schreiben Sie zum Beispiel ein Wort auf und heften Sie es an Ihren Arbeitsplatz.
Reiz: Positives Wort.
Reaktion: Leistungsfähigkeit.
Positive Auswirkung: Die gesteigerte Leistungsfähigkeit durch positive Sprache hilft Ihnen, motiviert zu sein und zu bleiben, vor allem vor großen Herausforderungen.
3. Beispiel positive Priming: Dankbarkeit zeigen
Prime umsetzen: Denken Sie täglich an drei Dinge, für die Sie dankbar sind und schreiben Sie diese nieder. Dinge, für die Sie dankbar sind, können Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten wie “Zeit für Familie” oder “ein Dach über dem Kopf” sein.
Reiz: Dankbarkeit.
Reaktion: Zufriedenheit.
Positive Auswirkung: Zufriedenheit bringt Seelenfrieden und Positivität, die Ihr persönliches Wachstum und Ihre Selbstverwirklichung fördert.
4. Beispiel positives Priming: Ziele visualisieren
Prime umsetzen Visualisieren Sie täglich Szenarien, in denen Sie Ihre Ziele erreicht haben. Stellen Sie sich vor, wie es aussehen und sich anfühlen wird und erleben Sie den Moment, als wäre er jetzt schon Realität.
Reiz: Vorstellung.
Reaktion: Motivation.
Positive Auswirkung: Ihre Ziele zu visualisieren steigert Ihre Motivation. Diese wiederum ist von entscheidender Bedeutung bei ständig schwankenden Umständen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und schließlich am Ball zu bleiben.
5. Beispiel positives Priming: Wärme hervorrufen
Prime umsetzen: Das Gefühl der physischen Wärme hat einen positiven Einfluss auf Ihre Wahrnehmung. Schaffen Sie deshalb mehr Wärme um sich herum. Umarmen Sie zum Beispiel öfter Ihren Partner oder Partnerin oder halten Sie ganz bewusst eine warme Tasse Kaffee.
Reiz: Wärme.
Reaktion: Freundlichkeit.
Positive Auswirkung: Einer der wichtigsten Aspekte der Freundlichkeit besteht darin, dass Sie im Leben eines Menschen etwas Positives bewirken können, das Ihnen zu mehr Glücklichkeit verhilft.
6. Beispiel positives Priming: Affirmationen nutzen
Prime umsetzen: Nutzen Sie positive Affirmationen oder Zitate im Alltag. Jedes Mal, wenn Sie die Affirmation wiederholen, erinnert Sie der Stimulus an die positive Bedeutung. Ein Beispiel ist die Affirmation “Ich bin auf meinen Job bestens vorbereitet”.
Reiz: Affirmation.
Reaktion: Selbstbewusstsein.
Positive Auswirkung: Selbstvertrauen ist ein Schlüsselfaktor für Sie, der zu einem glücklichen und erfüllten Leben mit weniger Angst und mehr Resilienz gehört.
7. Beispiel positives Priming: Düfte einsetzen
Prime umsetzen: Düfte beeinflussen Ihre Sinne. Zum Beispiel auch jene, die an Sauberkeit erinnern, wie der Duft von Zitrone oder Reinigungsmitteln. Diese Düfte führen dazu, dass Sie insgesamt reinlicher sind und auch mehr Ordnung halten.
Reiz: Duft.
Reaktion: Ordnung.
Positive Auswirkung: Ordnung zu haben und zu halten ist eine oft unterschätzte positive Eigenschaft. Ordnung hilft Ihnen, stressfreier zu leben und sogar besser zu schlafen (ein gemachtes Bett führt nachweislich zu besserer Schlafqualität).
Verblüffende Experimente
Um Ihnen zu zeigen, wie Forschende den Priming-Effekt untersuchen, werfen wir einen kurzen Blick auf zwei wissenschaftliche Studien.
Vorstellungsgespräche
In diesem Experiment (Lammers et al. 2013) wollten die Forschenden herausfinden, welchen Einfluss Priming auf den Erfolg von Bewerbungsgesprächen hat. Dafür gab es zwei Gruppen. Die erste Gruppe wurde vor dem Gespräch gebeten, sich an eine Situation zu erinnern, in der sie sich unter Kontrolle und mächtig gefühlt haben. Von der zweiten Gruppe wurde das Gegenteil erbeten.
Nach den Interviews mit den Bewerbern wurden die Leitenden der Bewerbungsgespräche gefragt, für welche Bewerbenden sie sich entscheiden. Das Ergebnis: Personen aus der ersten Gruppe wurden signifikant häufiger bevorzugt.
Daher ist es auch für Sie empfehlenswert, sich vor Bewerbungsgesprächen oder allgemeiner ausgedrückt, vor Verkaufsgesprächen und Diskussionen, an eine Situation zu erinnern, in der Sie sich unter Kontrolle und mächtig gefühlt haben.
Gedächtnisleistung
In einem anderen Experiment ging es um den Einfluss von Priming auf die Gedächtnisleistung (Hagood & Gruenewald 2018). In diesem Experiment gab es erneut zwei Gruppen. Die erste Gruppe sollte einen Artikel lesen, in welchem ältere Personen als Belastung für die Gesellschaft dargestellt wurden. Die zweite Gruppe bekam einen Artikel, der ältere Personen als Gewinn für die Gesellschaft beschrieben hat.
Anschließend wurden Gedächtnistests durchgeführt. Die Probanden der Gruppe, die den negativen Artikel gelesen hat, haben deutlich schlechtere Ergebnisse im Gedächtnistest erzielt.
Dieses Experiment zeigt, welche weitreichenden Auswirkungen ein Stimulus auf Sie haben kann. Nehmen Sie sich vor allem in für Sie besonders wichtigen Situation die Zeit, achtsam darüber zu sein, welchen Reizen Sie möglicherweise zuvor ausgesetzt wurden. Gehen Sie sogar einen Schritt weiter und setzen Sie sich selbst positiven Reizen aus, zum Beispiel positiven News, Unterhaltungen oder Emotionen.
Glaubhaftigkeit von Priming
Im Laufe der Zeit gab es immer größere Kritik an bekannten, sowie weniger bekannten Priming-Studien. Der Kritikpunkt: Einige Studienergebnisse konnten zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr repliziert werden. Das führt vor allem dazu, dass die Wissenschaftlichkeit der Versuche und Experimente als fragwürdig deklariert wurde.
Selbst einer der bekanntesten Psychologen, Daniel Kahneman, der in seinem bekannten Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” Priming-Studien zitiert hat, ist sich der Glaubwürdigkeit dieser nicht mehr sicher (siehe dazu dieser Artikel, Schimmack, Heene & Kesavan 2017).
Demnach sollten Sie das Thema Priming kritisch betrachten. Während Sie den Ergebnissen von Experimenten nicht blind glauben sollten, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass alles verkehrt ist. Testen Sie die entsprechenden Priming-Effekte einfach selbst und entscheiden Sie individuell, ob und wenn ja, was sich für Sie positiv verändert.
Fazit
Beim Priming geht es darum, dass und vor allem wie Sie auf einen bestimmten Reiz reagieren. Ihr Gehirn nutzt dafür in Schemata abgelegte Informationen. Die verbundenen Schemata können positive oder negative Auswirkungen haben. Erfahren Sie dadurch Vorteile, nutzen Sie Priming weiterhin aktiv in Ihrem Leben.
Machen Sie sich auf der anderen Seiten bewusst, dass viele Ihrer Reaktionen, Handlungen und Emotionen, durch unbewusste Stimuli passieren. Das ist völlig normal. Dennoch können Sie sich der Achtsamkeit trainieren, um dem teilweise entgegenzuwirken.
Foto: Yury Zap auf Adobe Stock
Literatur:
Hagood, E. W., & Gruenewald, T. L. (2018). Positive versus negative priming of older adults’ generative value: Do negative messages impair memory?. Aging & mental health, 22(2), 257-260.
Lammers, J., Dubois, D., Rucker, D. D., & Galinsky, A. D. (2013). Power gets the job: Priming power improves interview outcomes. Journal of Experimental Social Psychology, 49(4), 776-779.
Schimmack, U., Heene, M., & Kesavan, K. (2017). Reconstruction of a train wreck: How priming research went off the rails. Replicability-Index: Improving the Replicability of Empirical Research.