„Wir leben es!“, sagt Stephan Ehrenteit, Verantwortlicher für Personalmanagement und Soziales auf Schalke, einem der 10 wertvollsten Fußballclubs der Welt. Und er sagt es nicht nur, weil er es als eines der mittlerweile 120 000 Mitglieder oder einer der 500 Angestellten des Vereins sagen muss. Er sagt es, weil es von innen kommt.
Weil etwas anderes neben der Leidenschaft für den Fußball in ihm Feuer gefangen hat.
Etwas, das er weitertragen und vielen anderen Menschen ans Herz legen möchte.
„Wir dachten, wir wären alleine damit“
Am 2.2.2013 trafen sich ca. 70 Menschen in Bayerns Hauptstadt München, um gespannt zu lauschen, was Redner aus der Hotellerie, aus dem Coaching- und Gesundheitsbereich und mit Stephan Ehrenteit auch aus dem öffentlichen Wirtschaftsleben zu sagen haben über das Thema „Corporate Happiness“.
Dr. Oliver Haas, Geschäftsführer und Gründer der Dreamteam Academy GmbH und Autor des Buches Corporate Happiness als Führungssystem: Glückliche Menschen leisten gerne mehr versammelte mit seinem engagierten Team viele von denen um sich, die noch einen erleichterten Ausspruch tätigen, wenn sie in solch einer Gruppe zusammentreffen: „Ich bin so froh, dass da Gleichgesinnte sind. Ich dachte, ich wäre alleine damit unterwegs!“
Stephan Ehrenteit ist ein solcher Gleichgesinnter. Und er – im Gegensatz zu vielen anderen mittelständischen Unternehmen mit Millionenumsätzen – hat mit Hilfe von Oliver Haas bereits auf die Straße gebracht, was andere noch leichtfertig als Esoterik oder Smiley-Kultur abtun.
„Einer muss sagen, wir machen das jetzt und ziehen das durch!“
Als Stephan Ehrenteit an das Rednerpult tritt, weiß ich noch nicht viel über Schalke 04. Obwohl ich selbst über 20 Jahre Fußball gespielt und einen Teil meiner Jugend sogar damit Geld verdient habe, könnte ich nicht (noch nicht mal gerade jetzt!) sagen, wer die Bundesliga-Tabelle anführt.
Das ist ungewöhnlich.
Ungewöhnlich ist außerdem, dass ein Verein, der aus einer Handvoll Kindern entstand, die hinter der Zeche kickten und von der Welt nichts anderes wissen wollten, zu einem der wertvollsten Fußballclubs der Welt wird und noch vor dem „Gesundheitsmanagement“ ein anderes Wohlbefinden für seine Angestellten und Führungskräfte auf den Programmplan holt.
Und zwar nicht, weil es gut aussieht und darauf geachtet werden muss, was man „auf Schalke“ tut, wem man was sagt und weil der ein Schalke-Trikot kaufende Familienvater das gut findet. Denn wahrscheinlich geht es den auf dem Boden gebliebenen Fans Schalkes letztendlich nicht darum, was das nicht auf dem Rasen spielende Personal ihres Vereins macht – „Hauptsache, wir gewinnen und können mal wieder richtig abfeiern!“
Ehrenteit erzählt von Ängsten und Widerständen aus der Belegschaft, stellt Schalke und dessen Personalentwicklung mit seinen wechselnden Führungsstrukturen dar, spricht das Problem der hohen Fluktuation an, die Verunsicherung der Belegschaft, „wenn mal wieder ein Externer kommt und seine Leute mitbringt“ und damit sein eigenes System und Verständnis des richtigen Weges.
Und er erzählt von Schalkes eigenem Weg. Einem Weg in eine positive Zukunft.
Wohlbefinden als fester Bestandteil der Unternehmenskultur bei Schalke
Wenn Ehrenteit von der Frau erzählt, die seit über 20 Jahren für Schalke arbeitet und eigentlich vorhatte, ihre letzten Jahre „abzusitzen“, jetzt aber in vorderster Front für ein Konzept plädiert, dass die Selbstaufmerksamkeit fördert, sich mit den eigenen Stärken und deren Einsatz bei der Arbeit beschäftigt, dann ist das rührend.
Es verändert von innen, greift aber über. Und wenn Sie die größte Kritikerin erst davon überzeugt haben, dass es eine gute Sache ist, haben Sie sie als Ihren größten Fan auf der Seite, der allen anderen erzählt, wie schön es ist, nach 21 Jahren Arbeit bei Schalke 04 noch einmal neues Feuer zu fangen!
–Stephan Ehrenteit
Und diese Emotion kommt rüber. Ehrenteit spricht im anschließenden Workshop offen darüber, was bei Schalke alles noch nicht läuft, dass „Werder viel weiter ist, was den gesamten sozialen Bereich angeht und wir davon noch viel lernen können“ und weiß auch, dass der Dom nicht an einem Tag erbaut wurde und das Team rund um Oliver Haas keinen „Quick-Fix“ verspricht, sondern alles seine Zeit braucht.
Aber als er von seinen ersten Erkenntnissen und Veränderungen in einem nachhaltigen Projekt mit dem Ziel von gelebter „Corporate Happiness“ spricht, sieht man, dass er selbst ein wenig glücklich ist, weil der Slogan seines Vereins auch dem entspricht, was sich die Belegschaft und bereits einige der Führungskräfte auf die Jacken schreiben.
Und, weil sich etwas verändert.
„Natürlich ist nicht alles immer happy und toll“, sagt er. Es gäbe immer wieder Dinge, bei denen man sich die Haare raufe und den Glauben verlieren könne. Aber durch den Zusammenhalt, die positiven und bald auch messbaren Veränderungen (wie sinkende Krankheitstage, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, etc.) würde sich das gesamte Denken verändern. Und das sei ein wahrlich tolles Gefühl, sagt er und ballt dabei die Faust, als hätte „seine Mannschaft“ gerade ein entscheidendes Tor geschossen.
Und ich bin tief davon überzeugt, dass der Mann für Personalmanagement und Soziales bei Schalke 04 da in der Tat in Führung geht. Nicht nur mit einem wichtigen und vielleicht spielentscheidenden Tor. Sondern desgleichen wortwörtlich: als emotionales Beispiel, als Leuchtturm, als Führungskraft für „seine Mannschaft“.
Was nehme ich mit?
Visionäre sind wichtig, weil der Ansatz noch radikal ist und entgegen der Gewohnheiten vieler Angestellter und Unternehmensleiter geht. Selbst Menschen, die dem Thema der Positiven Psychologie offen gegenüber stehen, haben aufgrund jahrelanger Konditionierungen oft noch eine gewohnte Tendenz: An ihren Schwächen arbeiten zu wollen, bevor sie darüber nachdenken, wie sie in der nächsten Woche konkret ihre Stärken weiter ausbauen und gewinnbringend im Unternehmen einsetzen könnten.
Hilfreich für den Start eines solchen Projektes sind jedoch nicht nur die Visionäre, sondern obendrein die harten Fakten.
Viele Unternehmen benötigen gut aufbereitete Zahlen (im besten Fall einen Business Case), bevor sie überhaupt den ersten Schritt für ein solches Vorhaben machen wollen. So lange im Unternehmen „die Zahlen am Ende des Jahres“ noch stimmen, besteht kein Handlungs- oder Leidensdruck für den provokativen aber einprägsamen Slogan „Mehr Glück – mehr Rendite!„. Auch trotz zahlreicher Studien, die die Wirksamkeit und Vorteile dieser psychologischen Wissenschaft bereits belegen.
Ich kann nur hoffen, dass der Schritt, den Schalke 04 mit seinem der Öffentlichkeit stark ausgesetztem Verein hier ein leuchtendes Beispiel wird und viele nachziehen.
Mir macht es Mut, was Stephan Ehrenteit über Schalke erzählt. Mir macht es Mut, was auch die anderen Referenten erzählen.
- Bodo Janssen (Geschäftsführer der Hotelkette Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG), der Upstalsboom unter seiner Führung und aufgrund des Loslösens von der klassischen Betriebswirtschaft auf drei Ebenen erfolgreich entwickeln konnte: In den letzten drei Jahren stieg die Mitarbeiterzufriedenheit deshalb um ca. 30%, die Weiterempfehlungsrate der Gäste von durchschnittlich 92% auf 97% und der Umsatz um fast 100%.
- Dr. Friedrich Assländer, der als selbstständiger Coach und Seminarleiter Möglichkeiten aufzeigt, die Positive Psychologie in die Aufstellungsarbeit aufzunehmen und deren Teilaspekte (unter anderem Themen wie Selbstaufmerksamkeit und Achtsamkeit) z.B. mit einem Klosterbesuch zu kultivieren
- Andreas Gast Ph.D., der als ehemaliger Hauptabteilungsleiter für Personalstrategie, -politik und – planung der BMW AG sowie als Unternehmensberater der Boston Consulting Group einen stärker strategischen, nichts desto trotz aber wirtschaftsuntypischen Ansatz wählt und auf die Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Verstand und Unterbewusstem auf Basis von Emotionen plädiert.
- Sabine Ried als Gründerin und Geschäftsführerin der Yousential AG in Luzern, die mit ihrem Wissen über die „Psychology of Peak Performance“ von der Stanford Universität in Kalifornien über die Wichtigkeit und Wege der Authentizität referiert und Möglichkeiten aufzeigt, wie man sie im Top-, schwierig aber im Middle Management herstellen kann. Sie erzählt von Coaching mit den Schwerpunkten auf Führung, Resilienz und Authentizität.
- Und schließlich Dr. Oliver Haas selbst, als Initiator des Kongresses, der über 10 Jahre CFOs im Aufbau von Controlling Systemen begleitet und berät und sich seit 2008 auf das Gebiet der wissenschaftlich basierten Glücksforschung spezialisiert hat. Er bringt pragmatische Beispiele, schöne Anekdoten und bezieht sein fundiertes Wissen aus Wirtschaft und Hochschulkontext als Professor an der Hochschule für angewandtes Management in Erding.
Und so wie die Referenten von harten Fakten, weichen Emotionen, der Arbeiterklasse und dem Top-Management erzählen, wie sie von Rückschlägen aber auch dem Mut und der Ausdauer zum Dranbleiben berichten, hoffe ich, dass weitere Nachahmer folgen und aus dem ersten Kongress für das unternehmerische Wohlbefinden eine große Bewegung wird.
Und da ich mit Stephan Ehrenteit als wohl emotionalsten der Beteiligten anfing, möchte ich auch mit ihm bzw. einer Frage zu Schalke schließen, die mir jetzt auf der Seele brennt und die die Zukunft vielleicht zeigen wird:
Wie lange mag es dauern, bis sich die Grenze zwischen den Angestellten des Vereins und den millionenschweren Spielern auflöst und nicht nur auf der Agenda steht, wie das nächste Spiel siegreich über die Bühne gebracht wird oder die Angestellten ihre schönsten Tageserlebnisse aufschreiben, sondern wie auch die best bezahltesten Mitarbeiter von Schalke 04 ganzheitlich an ihrem Wohlbefinden arbeiten und damit etwas über das Spiel hinaus mit nach Hause nehmen. Weg vom Grün, hin zu Spielerfrauen und Familien.
Vielleicht ist die Positive Psychologie schon bald ein enorm schwerwiegender Faktor für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Mich hätte der Schalke-Ansatz damals als Fußballspieler mit Sicherheit beeindruckt und gelockt…
Lieber Herr Tomoff,
auch meine Frau und ich waren bei diesem Kongress und haben genau die gleichen Empfindungen mitgenommen wie Sie. Nicht das Geld, nicht der vermeintliche Erfolg machen glücklich, sondern glückliche Menschen verdienen Geld und sind erfolgreich!
Ich habe unzählige Kongresse miterlebt und dennoch nie einen mit derart viel positiver Energie erlebt! Jedem einzelnen Beteiligten an diesem Kongress möchte ich besonders danken und gratulieren zum Mut, auf seine Weise das Thema Glück mit soviel Begeisterung hinaus zu tragen in die Welt – und besonders beachtlich: in die berufliche Welt!
An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an Dr. Oliver Haas, der seine Vision eines Kongresses dieser Art umgesetzt hat und somit vielen von uns Gelegenheit für einen sehr energetischen Tag gegeben hat. Dass er als Gastgeber darüber hinaus auch höchsten Unterhaltungswert hatte, machte die Teilnahme umso wertvoller. Ich habe jede Minute genossen und war einfach nur glücklich 🙂
Hallo Micha,
nun habe ich mir mal wieder die Zeit genommen und einen Block von Deinen vielen tollen Themen gelesen.
Einfach deshalb, weil es um den großen millionenschweren Revierclub Schalke geht und Du jetzt durch Stephan Ehrenteit mehr über ihn weißt.
Ich glaube allerdings nicht, dass Schalke in Bezug auf Einsatz von solchen Fachkräften eine Vorreiterrolle spielt.
Auch die Bundesligaclubs sind große Wirtschaftsunternehmen mit ihrem wichtigsten Kapital, nämlich ihren Mitarbeitern. Die sollen auf der einen Seite zufrieden und glücklich sein, mit dem was sie für ihren Arbeitgeber tun, aber sie sollen auch dazu beitragen, dass der Erfolg da ist und die „Kasse“ stimmt. Welche Mitarbeiter dies sind weißt Du selbst. Der Unterschied zu anderen vergleichbaren Unternehmen liegt darin, dass es auf der einen Seite die „normalen“ Angestellten gibt und dann die Jungs, deren Monatsgehalt um ein X-faches höher ist, wie das Jahresgehalt der Normalos. Ich bin eh der Meinung, dass es nur leistungsbezogene Verträge geben sollte, selbst für den 4 maligen Fussballer des Jahres Lionel Messi. Geh auf WIKIPEDIA und Dir wird schwindelig. Geld macht nicht glücklich, es beruhigt und Druck ist im Job für alle da.
Ich erinnere nur an Robert Enke von 96 und auch an Sebastian Deisler vom FC Bayern.
Deshalb, und da komme ich auf Deine letzten Absätze zurück, werden schon seit Jahren Psychologen eingesetzt, die sich mit den Spielern und deren Gesundheitszustand auseinander setzen.
Trotzdem bin ich der Meinung, das es zwischen den Spielern, Trainern und den Angestellten tolle Verhältnisse geben wird.
Es sind glückliche Menschen, weil sie – ich kann es leider nur von Deinem Artikel aus beurteilen – von Gleichgesinnten betreut und geführt werden.
Ein tolles Thema in einem Bereich, der auch ein Teil Deines Lebens war und das macht es wieder interessant.
Ich bin mir nicht sicher, wie viele andere Vereine sich explizit mit dem Thema Positive Psychologie beschäftigen. Ich habe bisher nur von Schalke gehört, aber auch sie haben das bisher (soweit ich weiß) nicht öffentlich ausgehängt. Aber vielleicht kommt das noch.
Dass es für jeden Bundesligaverein mittlerweile einen „Mental-Coach“ oder Psychologen gibt, finde ich gut und wichtig. Nicht nur, weil ich ebenfalls in diesem Feld arbeite, sondern weil die physische und psychische Belastung riesengroß und gerade dort professionelle Unterstützung wertvoll ist. Es sind ja „auch nur Menschen“, die sich dort Woche für Woche auf den Rasen stellen und ihre Arbeit machen.
Auf jeden Fall finde ich die Entwicklung toll und bin gespannt, wohin es nur führen wird und was solch ein Schritt für die Akzeptanz dieses Thema tun wird.
Liebe Grüße,
Micha