Stress ist allgegenwärtig in der heutigen Zeit. Es beginnt zwar immer auch “bald” wieder eine Urlaubszeit. Doch obwohl auch Kurztrips zur Stressreduktion und Erholung beitragen, freuen sich die meisten doch auf mindestens zwei Wochen Entspannung und Ruhe und das “Runterkommen”.

Stress wird durch Urlaub nicht unbedingt ausgelöscht

Das Gemeine: die Forschung zeigt, dass negative Erfahrungen einen größeren Effekt auf uns haben als positive (Baumeister et. al, 2001). Das heißt, dass Ihr Urlaub Sie mit großer Wahrscheinlichkeit zwar beruhigen und etwas von der Arbeit ablenken wird, aber Stress bildende Dinge oder Personen in den meisten Situationen dessen ungeachtet an Ihnen zehren werden.

Vielleicht nicht im Urlaub. Doch aber höchstwahrscheinlich wieder kurz danach (siehe auch Post-Urlaubs-Depression).

Wir können Stress nicht entgehen, denn das Gesicht dieses ungebetenen Gastes sind vielfältig. Vielleicht sind es gravierende Erfahrungen wie der Tod eines geliebten Menschen, eine schwere Krankheit, ein Verkehrsunfall, häusliche Gewalt, eine Trennung, der ungewollte Verlust des Arbeitsplatzes.

Möglicherweise sind es vermeintlich kleine Probleme wie der Streit mit dem Ehepartner, eine näher kommende Frist oder die fehlende Rückmeldung eines guten Freundes: im Angesicht solcher Herausforderungen werden viele Menschen depressiv, verängstigt oder verwirrt, um nur einige der schweren Folgen zu nennen.

Ein Freund von mir fasste es passend zusammen, nachdem wir darüber gesprochen hatten, wie wichtig der Fokus auf eigene Stärken und deren Nutzung sei: “Als hätte ich nicht genug andere Baustellen, um die ich mich erst einmal kümmern müsste! Wie soll ich mich da auf die Stärken konzentrieren?”

Glücklicherweise gibt es viele Möglichkeiten, sich gegen die stressenden Faktoren des Lebens zu wehren und das Gute im Leben überwiegen zu lassen.

In der Psychologie nennt man die Bewältigung von Problemen “coping”. Und bevor Sie im nächsten Artikel wieder eine Variante kennenlernen, mit Stress umzugehen und sich damit ein erfüllteres Leben zu ermöglichen, zeige ich Ihnen zwei gängige Varianten von Coping.

1. Problemorientiertes Coping

Manche haben viel Arbeit und langen hin, und manche haben viel Stress und reden davon.
–Hermann Lahm

Wie der Name vermuten lässt, sind Menschen, die mit diesem Ansatz an Probleme herangehen, auf das Lösen von Problemen fokussiert. Eine Frist kommt schnell näher und man ist überwältigt von der Fülle der zu erledigenden Dinge.

Diese Problemlöser wägen die Kosten und den Nutzen verschiedener Möglichkeiten ab, wählen eine aus und agieren. Ob das ein vielversprechender Gesprächsbeginn in das Konfliktgespräch mit dem Chef ist, ein neues, entspannendes Hobby oder das Einholen eines Expertenrates – Menschen mit diesem Stil sind während und nach stressvollen Situationen seltener von Depressionen geplagt (Billings & Moos, 1984).

Warum? Weil sie folgende Dinge sehr gut tun:

  • sich darauf zu konzentrieren, etwas gegen das Problem zu tun und den eigenen Handlungsspielraum zu nutzen
  • sich Schritt für Schritt der Lösung zu nähern
  • zu überlegen, welche Strategien sinnvoll für die Situation sind
  • zu planen und zu organisieren
  • andere Dinge beiseite zu schieben und zu fokussieren
  • andere um Hilfe zu fragen

Hört sich gut an, oder? Was aber, wenn die Probleme so groß und unkontrollierbar sind, dass auch ein Nachdenken über Strategien Ihren Freund nicht mehr von den Toten zurück bringt?

2. Emotionsfokussiertes Coping

Wenn man sich vor negativen Emotionen erdrückt fühlt und keinen Schritt vor den anderen tun kann? Dann ist emotionsfokussiertes Coping die richtige Wahl, die Situation zu verbessern.

Es gibt viele Strategien dieser Art von Problembewältigung:

Verhaltensorientierte legen den Fokus auf Ablenkung. So beispielsweise durch körperliche Betätigung (eine Wanderung in den Bergen oder eine anstrengende Radtour) oder das Ausüben schöner Aktivitäten wie einem Kinobesuch oder einem Treffen mit Freunden. Menschen, die sich solchen Dingen hingeben, sind später besser ausgerüstet, ihren stressenden Situationen entgegen zu treten (Nolen-Hoeksema & Morrow, 1991).

Kognitive Strategien dagegen helfen dabei, belastende Situationen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und anders zu bewerten. Das kann die Frage sein, was in dieser Situation das Gute ist oder was ich daraus gelernt habe. Das kann die Akzeptanz dessen sein, was passiert ist und außerhalb des eigenen Radius und Einflussbereichs ist. Das kann sogar die Zuwendung zu einer Religion sein.

Männer sollten fühlen und Frauen handeln

Im Falle von Witwen und Witwern stellte sich heraus, dass Männer beim Anwenden dieser zwei Techniken mehr von der emotionsfokussierten Vorgehensweise profitierten und Frauen eher von der lösungsorientierten Art (Schut et. al, 1997).

Die Wissenschaftler nehmen an, dass jeder jeweils von der weniger genutzten Variante lernen konnte und durch den Fokus auf die Situation betreffenden Emotionen (Männer) beziehungsweise das Finden von Lösungen für das Problem (Frauen) Stress reduzierten.

Am Ende sind gerade bei chronischen Problemen beide Varianten essentiell. Aber gerade bei Problemen zwischen den Geschlechtern hat mit Sicherheit jeder von uns eine Geschichte parat, in der das Einnehmen einer anderen Perspektive und das Nutzen einer anderen Problemlösestrategie uns einen großen Schritt nach vorne und weg vom Stress gebracht haben.

Nutzen Sie doch Ihren diesjährigen Urlaub einmal für ein Experiment: lassen Sie Lösungen für ein Problem zur Abwechslung links liegen und konzentrieren Sie sich auf das Gefühl, dass bei Ihnen bei einem Problem entsteht. Oder geben Sie dem Gefühl erst einmal niedrige Priorität und überlegen Sie, welcher nächste kleine Schritt Sie einer Lösung näher bringt.

Viel Spaß dabei. Und erholen Sie sich gut!

 

Foto: Amy McTigue

Literatur

Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Finkenauer, C., & Vohs, K. D. (2001). Bad is stronger than good. Review of General Psychology, 5(4), 323–370.

Billings, A. G., & Moos, R. H. (1984). Coping, stress, and social resources among adults with unipolar depression. Journal of personality and social psychology, 46(4), 877.

Nolen-Hoeksema, S., & Morrow, J. (1991). A prospective study of depression and posttraumatic stress symptoms after a natural disaster: the 1989 Loma Prieta Earthquake. Journal of personality and social psychology, 61(1), 115.

Schut, H. A., Stroebe, M. S., Bout, J. V. D., & Keijser, J. (1997). Intervention for the bereaved: Gender differences in the efficacy of two counselling programmes. British Journal of Clinical Psychology, 36(1), 63-72.