Positive Psychologie und die Transaktionsanalyse (TA) ergänzen sich sehr gut. Beide Richtungen konzentrieren sich auf die persönliche Entwicklung. Wie immer bei persönlicher Entwicklung kann es hilfreich sein, einen Leitstern zu haben, der Ihnen zeigt, wohin Sie sich entwickeln können.
Die Transaktionsanalyse kann Ihnen einen solchen Leitstern bieten.
Dieser geschätzte Gastartikel ist von Steffen Raebricht.
Die TA entstand zu einer Zeit, in der psychologische Richtungen populär waren, die sich auf Störungen konzentrierten. Eric Berne und seine Kollegen waren Pioniere darin, auch positive Aspekte in ihr System zu integrieren. Die Transaktionsanalyse gründet sich auf einem humanistischen Weltbild.
Haltung der Transaktionsanalyse – vereinbar mit Grundsätzen der positiven Psychologie
Statt den Menschen als Opfer seiner Triebe zu betrachten (Psychoanalyse) oder als Reiz-Reaktions-Maschine (Verhaltenstherapie), setzten Berne und seine Kollegen auf die Entwicklungsfähigkeit und die bewusste Entscheidungsfähigkeit der Menschen.
Daraus formten sich die Grundhaltungen der Transaktionsanalyse:
- Menschen sind in Ordnung.
- Jeder Mensch hat die Fähigkeit zu denken.
- Menschen können sich (neu) entscheiden.
Diese zunächst banal klingenden Haltungen haben es in sich.
Es ist schnell gesagt, dass die Menschen in Ordnung seien. Die Herausforderung liegt darin, diese Haltung wirklich zu leben und in den Alltag zu integrieren. Das schließt das Denken über andere Menschen sowie über die eigene Person ein. Wie schnell denkt man über sich: “Ich Idiot!”
Die Aufgabe besteht darin, solche Sichtweisen durch menschenfreundlichere zu ersetzen. Dann könnte es lauten: “Verdammt, da habe ich einen Fehler gemacht. Nächstes mal versuche ich es besser zu machen.”
Der Unterschied: Sie können sich weiter über Ihren Fehler oder Irrtum ärgern. Das bedeutet jedoch nicht, sich als Person abzuwerten – so wie das bei “Idiot” der Fall ist.
Bei jemanden, der vorher als “bösartig” bezeichnet wurde, schauen wir, aus welchen Gründen das Verhalten gezeigt wurde. Was treibt eine Person an? Die Person und ihr Verhalten werden dabei getrennt voneinander betrachtet. Denn während ein Verhalten „negativ“ bewertet werden kann, soll das nicht mit der Person geschehen.
Diese Potenzial fördernde Haltung führt zu einem friedvolleren und erfüllteren Dasein. Für Sie und für andere.
Das Ziel der Transaktionsanalyse
Eric Berne hat ein Ziel der Transaktionsanalyse definiert: die Autonomie des Menschen.
Was heißt das genau? Autonomie bedeutet nicht, dass man unabhängig ist und machen kann, was man will. Autonomie bedeutet vielmehr, dass man sich entscheiden kann, woran man sich binden will (Freiheit).
Sie bedeutet, dass man tiefe Verbindungen zu anderen Menschen eingehen und sich offenherzig zeigen kann, auch mit „negativ“ empfunden Gefühlen wie Ärger oder Angst. Das nennt man in der Transaktionsanalyse Intimität.
Autonomie umfasst weiterhin ein Bewusstsein dafür, dass jeder Moment einzigartig ist. Das bedeutet, dass man beispielsweise nicht mehr in Kategorien denkt (Da ist ein Mann/eine Frau), sondern dass man jeden Menschen als Individuum mit seinen einmaligen Eigenschaften wahrnimmt.
Statt in Schubladen zu denken (Männer kommen vom Mars und Frauen von der Venus), lernen Sie ihr Gegenüber mit kindlicher und unvoreingenommener Neugier kennen.
Ein weiterer Autonomie-Aspekt ist der freie Ausdruck. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie die Reaktion auf ein intensives, authentisches Dankeschön oft aussieht? Häufig ist eine beschämte/gekniffene Reaktion zu beobachten: “Ach das war doch nichts.” oder “Nicht dafür.”
Das kann als Indiz für einen nicht freien Ausdruck gelten. Ein freier Ausdruck wäre, sich über die intensive Aufmerksamkeit frei heraus zu freuen.
Viele Menschen haben ein paar Blockaden bei ihrem spontanen Ausdruck. Sei es, Bewegtheit zu zeigen, Mitgefühl zu haben, Angst, Ärger oder Trauer zu zeigen. Einige Menschen können sich auch nicht richtig freuen. Gesellschaftliche Regeln stützen das durch überholte Normen: “Eigenlob stinkt.” Transaktionsanalyse räumt damit auf und sagt klar: “Sie dürfen sich auch selbst loben!”
Die Positive Psychologie geht zum Beispiel mit Konzepten wie self-compassion (Selbstmitgefühl) auch in diese Richtung und forscht (Kristin Neff ist hier eine bekannte Vertreterin).
Ja klar, warum sollten Sie sich nicht zugestehen dürfen, dass Sie etwas gut können? Transaktionsanalyse unterstützt Sie darin, sich gut zu tun und gibt auch klare Erlaubnisse wie:
- Sie dürfen sich guttun.
- Sie dürfen um Aufmerksamkeit/Komplimente bitten, wenn sie das möchten.
- Sie dürfen Aufmerksamkeiten annehmen und sich über sie freuen.
Konzepte für die positive Psychologie
Die positive Psychologie konzentriert sich auf die Entwicklung von Potenzialen. Transaktionsanalyse kann etwas dazu beitragen. Beispielsweise mit dem Vertragskonzept:
Es beschreibt, wie man mit anderen Menschen tragfähige Absprachen treffen kann um gemeinsam gute Ergebnisse und Miteinander zu erreichen.
Beispielsweise kann bei Absprachen darauf geachtet werden, dass sich Ihr Gegenüber in einem guten Zustand befindet. Wenn jemand Hunger hat, wird es schwierig, eine gute Absprache zu treffen. Oder, wenn er/sie gerade eine schlechte Nachricht erhalten hat. Der Kontext und der Zustand sind jedoch nur Aspekte dieses Konzepts.
Ein anderes Konzept sind die Ich-Zustände. Transaktionsanalyse benennt förderliche und nicht förderliche innere Zustände, in denen sich jeder einmal befindet.
Haben Sie sich schon einmal klein und unbedeutend gefühlt? Vor einem Vorgesetzten zum Beispiel? Werden Sie vielleicht sogar gemobbt? In einem solchen Zustand entfaltet man sein Potenzial eher schwerlich.
Die TA beschreibt sogenannte förderliche Zustände und wie Sie in diese kommen können.
Wenn Sie sich in Ihrer Kraft fühlen, haben Sie Zugang zu Ihren Ressourcen und Fähigkeiten und können diese auch mit hoher Wahrscheinlichkeit gut einsetzen. Sie können spontan und kreativ, locker und frei agieren. Die TA zeigt Ihnen Wege auf, wie Sie öfter Zeit in solchen Zuständen verbringen können und wie Sie andere zu solchen Zuständen einladen.
Und auch hier finden wir eine Parallele zur Positiven Psychologie, denn auch hier werden Wege erforscht, wie positive emotionale Zustände und das subjektive Wohlbefinden nicht nur häufiger erreicht, sondern auch länger aufrechterhalten werden können.
Unterschiede zur positiven Psychologie
Es gibt jedoch auch deutliche Unterschiede zur positiven Psychologie. Die Nähe der Transaktionsanalyse zur Tiefenpsychologie und in Teilen auch zur Psychoanalyse haben einige Konzepte gefärbt.
So bildet die TA eine große Bandbreite an schädlichen Verhaltens- und Kommunikationsweisen ab. Die Idee dahinter ist, diese zu erkennen und bei anderen abzuwehren bzw. bei Ihnen abzulegen. Sie sollen durch beziehungsfördernde Reaktionen bzw. Verhalten ersetzt werden.
Weiterentwicklung der Transaktionsanalyse in Richtung positiver Psychologie
Die Transaktionsanalyse wird ständig weiterentwickelt. Zunehmend wird die Ressourcenorientierung in den Blick genommen. Mit der systemischen Transaktionsanalyse erhält sie noch einmal eine neue Wendung und damit auch weitere Aspekte der positiven Psychologie, die dem systemischen Ansatz zu Eigen sind.
Denn das Systemische fokussiert ebenfalls das Positive. Statt Ursachen zu suchen, schaut sie, wo es hingehen kann. Frei nach dem Motto: “Die Lösung liegt selten beim Problem.”
Fazit: Die positive Psychologie und die Transaktionsanalyse haben interessante Schnittmengen für die Entwicklungs- und Veränderungsarbeit. Es kann lohnen, sich einmal mit diesen Richtungen zu befassen.
Steffen Raebricht (M.A.)
Coach, Trainer und Autor
Er betreibt die meistbesuchte Webseite für Transaktionsanalyse im deutschsprachigen Raum.