Mobbing und Ausnutzung der Mitarbeiter durch Vorgesetzte sind immer wieder Thema in Coachings. Welche Mitarbeiter trifft es am häufigsten? Kann vielleicht sogar Ihr eigener Chef Hilfe beim Mobbing gebrauchen?

Ein Freund sagte einmal:

„Menschen beginnen einen Job wegen des Unternehmens und verlassen es aufgrund von Vorgesetzten.“

Wenn Sie an Ihre berufliche Vergangenheit denken, wie oft war es Ihr Chef, der Sie auf die Suche nach etwas Besserem getrieben hat?

Mehr Selbstvertrauen = Weniger Mobbing

Im letzten Artikel wurde deutlich, wie wichtig Selbstvertrauen in zahlreichen Lebensbereichen ist.
Tatsächlich hauen Vorgesetzte vornehmlich jene Mitarbeiter mit niedrigem Selbstbewusstsein in die Pfanne. (tweet)

Eine aktuelle Studie (Neves, 2014) aus dem Journal of Occupational and Organizational Psychology bestätigt dies.

In vielen Fällen sind Übergriffe auf jene Mitarbeiter nicht geheim, sondern deutlich sichtbar. Viele von Ihnen kennen ähnliche Situationen aus der Schulzeit oder der eigenen Berufserfahrung, in der Sie ebenfalls Opfer oder Täter von Mobbing der Kollegen waren.

Pedro Neves fand heraus, dass überwiegend Mitarbeiter mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und geringem Kollegen-Support Opfer des aggressiven Verhaltens ihrer Vorgesetzten wurden und die Hauptlast der Schmähungen trugen, wie z.B. Verniedlichung, Herabsetzung oder Beschuldigungen.

Die Forscher aus dem Bereich der Positiven Psychologie zeigten ein ums andere Mal in Studien, dass insbesondere sozialer Support von Kollegen während großem unternehmensweiten Wandels essentiell ist für die Leistungsfähigkeit und Jobzufriedenheit von Mitarbeitern (z.B Lawrence & Callan, 2011).

Am intensivsten fielen die Schikanen der Vorgesetzten dementsprechend aus, wenn dieser einer extrem stressvollen, stark verändernden Situation oder Zeit ausgesetzt war, wie z.B. kurz nach einer Entlassungswelle von Mitarbeitern.

Die Vorgesetzten zeigten das aggressive Verhalten interessanterweise nicht gegenüber allen, sondern im Speziellen gegenüber den schwächsten Teammitgliedern.

Obwohl sich die betroffenen Mitarbeiter nicht direkt wehrten, zeigten Sie im Verlauf gleichwohl indirekte, für das Unternehmen jedoch schädliche Gegenwehr: Sie verringerten ihre Leistungen und Bemühungen. Auch speziell Bemühungen bezüglich der Aufgaben, die das Team oder die Organisation unterstützten.

Doch niemand möchte unter „normalen“ Umständen die Hand beißen, die ihn füttert, oder?

Wer kann und sollte deshalb etwas gegen Mobbing ändern?

Diese für das gesamte Unternehmen schädliche Dynamik wird umso schlimmer, je mehr die drei Rollen in diesem Gefüge gleichbleibendes Verhalten zeigen:

  1. die unfaire, misshandelnde Führungskraft, die sich auf die Schwächsten der Teamkette stürzt
  2. das Opfer, dass vorher bereits emotional instabiler war und durch weitere Übergriffe fortan vermehrt negative Emotionen erfährt (Henle & Gross, 2013), und
  3. der Zeuge, der (noch) nichts tut, um diese ungesunde Interaktion zu unterbrechen und in gesündere Bahnen lenkt.

Die gute Nachricht: Jeder, der eine dieser drei Rollen einnimmt, kann durch Verhaltensänderung zu einer gesamten Änderung der Teamdynamik beitragen!

Das folgenschwere Problem an dem Verhalten der Führungskraft ist vielfältig, denn es zieht keine Konsequenzen nach sich. Der Chef zahlt häufig keinen sozialen Preis für sein Vorgehen. Mitunter nimmt er sogar von anderen („stillen Beobachtern“) an, sie heißen dieses Verhalten gut.

Kein Wunder, dass sich ein Mensch unter solchen Bedingungen vermeintlich hilflos in eine Abwärtsspirale begibt und Unterstützung benötigt!

Möglichkeiten des Einschreitens gegen Mobbing

Wenn Opfer oder Zeugen einen selbstbewussten aber nicht aggressiven Schritt nach vorne tun und der Führungskraft erklären, dass sie ihr Verhalten in dieser Manier als unfair empfinden, können soziale Kosten sowie Erkenntnis über die Auswirkungen des schlechten Führungsverhaltens rapide ansteigen.

Der Führungskraft wird bewusst, dass sie die schwächeren Mitarbeiter nicht auf diese Art behandeln kann (und wahrscheinlich auch nicht möchte).

Aber es gehört Mut dazu, diesen Schritt zu tun. Von Seiten der Zuschauer, aber auch von Seiten des Ausführenden.

Denn das eigene Verhalten als nicht vorbildlich anzuerkennen und einen anderen, vielleicht schwierigeren Weg einzuschlagen, ist bereits in nicht stürmischen Zeiten schwer. Fehler einzugestehen, ist der erste, häufig aber mühsamste Schritt.

Und trotzdem so lohnenswert für alle!

Lerneffekte aus dieser Studie

Sich einen Ruck zu geben, und z.T. zerstörerische Muster aufzubrechen, ist ein Weg, eine gesündere Führungs- und Unternehmenskultur herzustellen.

Neves kommt zusammenfassend zu drei Schlüssen, die mir insbesondere im Unternehmenskontext wichtig erscheinen und meiner Meinung nach Aufmerksamkeit fordern:

  1. Vorgesetzte zielen mit ihrem beleidigendem, teils missbrauchendem Verhalten speziell auf Mitarbeiter, die besonders verletzlich und devot scheinen.
  2. Die Strategien zur Entwicklung von Mitarbeitern sollte nicht nur auf eine Verbesserung des Verhaltens der Führungskräfte abzielen, sondern z.B. durch Trainings oder Coaching auch den Fokus auf eine Stärkung der „Untergebenen“ legen. Oftmals sind es allein „die schwierigen Führungskräfte“, die eine Personalentwicklungsmaßnahme ausführen müssen, um wieder „auf Kurs“ zu kommen und es wird alleine in ihre Hände gelegt, wie sich ein Team entwickelt.
  3. Mitarbeiterabbau ist ein besonders mächtiger Auslöser für missbrauchende Führung (tweet), da sie heftigen Stress bei allen Beteiligten auslösen und die Verletzlichkeit ohnehin emotional anfälligerer Mitarbeiter stärker aufzeigen.

Fazit: Sprechen Sie an, was auf der Hand liegt. Versuchen Sie jedoch ferner, Lösungen zu generieren, die für den Vorgesetzten tragbar, umsetzbar und leicht zu akzeptieren sind.

So helfen Sie mit eigenem Mut zugleich den Mut der anderen Rolleninhaber zu stärken. Und stärken sich, Ihrem Chef und gleichzeitig Ihrem Unternehmen.

 

 

Literatur

Henle, C. A., & Gross, M. A. (2013). What have I done to deserve this? Effects of employee personality and emotion on abusive supervision. Journal of Business Ethics, 1-14.

Lawrence, S. A., & Callan, V. J. (2011). The role of social support in coping during the anticipatory stage of organizational change: A test of an integrative model. British Journal of Management, 22(4), 567-585.

Neves, P. (2014). Taking it out on survivors: Submissive employees, downsizing, and abusive supervision. Journal of Occupational and Organizational Psychology.