Was hat die 10.000-Stunden-Regel mit Talent zu tun? Wenn wir an all die spannenden Themen der Positiven Psychologie denken – Entschlossenheit, Resilienz, Hoffnung, Dankbarkeit (um nur ein paar zu nennen) – dann scheint Talent auffällig absent von der Aufmerksamkeit der Forscher zu sein.

Möglicherweise liegt es daran, dass Talent schwierig zu definieren ist.

Talent – Der eigene Anteil am Glück

Wenn Menschen unsere Corporate Happiness-Ausbildung erleben, wird es erstmal an der Stelle spannend für die Teilnehmer, an der sie von der Möglichkeit erfahren, etwas aktiv an ihrem Glück verbessern zu können. Bei Talent empfinden wir häufig eine starke angeborene Komponente. Das mag der Grund dafür sein, dass wir uns bei diesen Talenten lieber auf etwas anderes konzentrieren als auf ihre Veredelung.

Nehmen wir dazu die 10.000-Stunden-Regel.

Sie besagt, dass Größe durch drei Dinge entsteht: Übung, Übung und nochmals Übung – oder schöner ausgedrückt durch 95% Transpiration und 5% Inspiration. Viele Stunden harter Arbeit machen einen großartigen Maler (Picasso produzierte zu seinen Lebzeiten sage und schreibe 20.000 Arbeiten!) oder einen fantastischen Schreiber aus (Balzac schrieb während seiner aktiven Karriere über 85 Romane).

Die Idee hinter der 10.000-Stunden-Regel ist somit einfach: Das, was Picasso und Ihre malerischen Fähigkeiten voneinander trennt, ist eine messbare (und wahrscheinlich noch hohe) Anzahl von Übungsstunden.

Es klingt hart aber zumindest machbar: mit der genügend großen Anzahl an Übungsstunden scheint in jedem von uns der lauernde Genius entfesselt werden zu können. Oder doch nicht?

Was einen Meister – außer Talent und Übung – noch ausmacht

Eine Meta-Analyse von 88 Studien heraus, dass Übung zwar wichtig sei, aber Unterschiede zwischen der Leistung von Individuen in Bereichen wie Sport oder Musik nur zu 20% mit Übung zu erklären waren. Ein Teil der restlichen 80% mag sicherlich das angeborene Talent sein – aber möglicherweise nicht alles davon…

Viel wahrscheinlicher sind laut der Autoren folgende Faktoren, die alle zurecht als einflussreiche Möglichkeiten betrachtet werden können:

  1. Das Alter, in dem eine Person mit dem Thema in Berührung kommt. Es macht sicherlich einen Unterschied, ob Sie mit vier Jahren das erste Mal auf einem Klavier herumklimpern oder mit 90.
  2. Die Rolle von Inspiration und Motivation. Inspiriert Sie eine Sängerin, die Sie unter der Dusche nachahmen? Motivieren Sie die Gitarrenriffs Ihres Idols, doch noch eine Stunde mehr auf Ihrer eigenen Klampfe zu üben, um ihm doch noch ein Stückchen näher zu kommen?
  3. Vorbilder. Haben Sie Menschen um sich herum, denen Sie aufgrund Ihrer tollen Fähigkeiten folgen können? Identifizieren Sie sich eventuell sogar mit ihr und ihren Verhaltensmustern, die Sie nachahmen oder dies zumindest versuchen?
  4. Wettbewerb. Fühlen Sie sich durch Nebenbuhler angespornt, Ihre Aktivitäten noch einmal anzukurbeln? Möchten Sie auf jeden Fall besser Tuba spielen als „Frank aus der anderen Abteilung“? Oder die 800m schneller laufen als „Ida aus Klasse 11b“ (oder die langbeinige Gazelle aus Äthiopien, die derzeit den Marathon-Weltrekord hält)?

Blasen an den Fingern?

Alle diese Faktoren haben eines gemeinsam: Menschen haben persönliche Kontrolle über sie und darüber hinaus noch jede Menge natürliches Talent.

Wenn Sie sich also das nächste Mal überlegen, sich auf dem Weg zur Großartigkeit wunde Finger oder Blasen in den neuen Laufschuhen zu holen, ziehen Sie mehr als nur Übung in Betracht. Denken Sie – auch fernab der 10.000-Stunden-Regel – daran, wie die Leistungen anderer Sie inspirieren und voranbringen können, welche Ambitionen Sie hegen und welches jene leidenschaftlichen Vorbilder sind, mit denen Sie sich gut fühlen und umgeben möchten.

Und in der Zwischenzeit… üben Sie einfach weiter. 😉

 

Literatur

Macnamara, B. N., Hambrick, D. Z., & Oswald, F. L. (2014). Deliberate practice and performance in music, games, sports, education, and professions a meta-analysis. Psychological science, 25(8), 1608-1618.