Ich werde immer wieder von Teilnehmern gefragt, warum Liebenswürdigkeit – ein auf den ersten Blick nicht unbedingt bussinesstaugliches Thema – so eine große Wirkung hat. Sowohl für den privaten als auch den beruflichen Bereich. 8 Tipps dazu in diesem Artikel.
Die Wichtigkeit von sozialen Beziehungen für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden kann von mir nicht deutlich genug gemacht werden. „Beziehungen bilden den wichtigsten Faktor für das Überleben des Homo Sapiens“, sagt nicht zuletzt die Psychologin Ellen Berscheid (Berscheid, 2003) und kommt mit ihren Erkenntnissen damit aus dem Herzen der Sozialpsychologie. Erst einmal unabhängig von Güte oder Freundlichkeit.
Sie stützt sich dabei auf den vermutlich stärksten und am häufigsten belegten Befund bei der Forschung zum Wohlbefinden: Glückliche Menschen haben (zwischen- und untereinander) bessere Beziehungen als die weniger Glücklichen (Lyubomirsky, 2005). Keine Überraschung demnach, dass die Pflege von sozialen Beziehungen ein schlaues Investment auf einem Weg zu mehr Wohlbefinden ist.
Liebenswürdigkeit ist hier nicht nur ein Teil des Weges, sondern quasi das Schmiermittel zum Erhalt sozialer Beziehungen.
In Zufällige Aktionen der Freundlichkeit habe ich Ihnen bereits von einer Vielzahl von schnell durchzuführenden Möglichkeiten berichtet, die Freude auf Seiten Ihrer Gegenüber (ob fremd oder Freund) führen können. Und damit natürlich ebenfalls Ihre Beziehung zu diesen Menschen verbessern.
Der wichtigste Lerneffekt, denn Sie wahrscheinlich bereits an eigener Haut gespürt haben: Liebenswürdigkeit durch das Ausführen überraschender Taten tut nicht nur dem Empfänger gut, sondern obendrein Ihnen.
Warum machen „gute Taten“ Menschen eigentlich glücklich?
Es ist eine Sache, wenn Dalai Lamas, religiöse Glaubenssätze und andere hohe Persönlichkeiten diese Weisheit weitergeben. Es ist eine andere, das wissenschaftlich zu überprüfen und Antworten zu finden, warum dem so ist.
Sie nehmen andere positiver und großzügiger wahr
Wenn Sie einer alten Frau den Koffer in den Zug wuchten, werden Sie selten darüber nachdenken, wie schlapp die Dame für ihr Alter ist. Sie sehen die sich über Ihre Höflichkeit freuende Frau vornehmlich als das: einen durch Sie und Ihre Hilfe glücklicheren Menschen, der Unterstützung benötigt und gerne angenommen hat.
Sie stärken damit das Gefühl von Interdependenz und Kooperation
Interdependenz bezeichnet die gegenseitige Abhängigkeit zwischen zwei oder mehr Personen oder Gruppen. In Beziehungen bedeutet das, dass das Verhalten und die Entscheidungen einer Person die andere beeinflussen und umgekehrt.
Diese wechselseitige Beeinflussung kann positive Effekte haben, etwa durch Zusammenarbeit und Unterstützung, aber auch Herausforderungen mit sich bringen, wenn unterschiedliche Interessen oder Bedürfnisse aufeinandertreffen.
Sie helfen einem Kollegen nicht bei einer schweren Aufgabe, weil Sie ihn für dumm halten. Deshalb ist die Hilfe eine Stärkung des Empfindens von gegenseitiger Abhängigkeit. Und zwar im besten Sinne von Support und der Möglichkeit, durch Ihre Stärken einem anderen Menschen Gutes zu tun, dessen Fähigkeiten zu ergänzen und dadurch selbst glücklicher zu werden.
„Ach, die Interdependenz ist wie ein Netz aus Spaghettifäden – ziehst du an einem, bewegen sich alle anderen mit. Aber pass auf, dass du dich nicht darin verhedderst, sonst sitzt du schneller im Knoten als ein Seemann in einer Flaute!“
– Käpt’n Blaubär
Auch Spenden können dieses Gefühl vermitteln, denn durch diese sind Sie Teil einer meist großen Gemeinschaft, die sich für etwas Umfassenderes einsetzt, etwas, das häufig durch eine gebündelte Kraft in Bewegung gesetzt werden kann.
Sie reduzieren Stress und schaffen Sinn
Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie jemandem bei etwas geholfen haben? Wenn es kein Zwang war, der Sie zu dieser Hilfe getrieben hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie sich sehr gut fühlen. Und sei es, weil Sie von eigenen Problemen abgelenkt waren oder Sinn erschaffen konnten, weil Sie einen wichtigen Platz in unserer Welt einnehmen und für andere nützlich sind, ja, wiederum Sinn schaffen (Clark, 1991).
Sie produzieren ein Bewusstsein für Ihr eigenes gutes Leben
Gutes für andere zu tun und ihnen über schwierige Situationen hinweg zu verhelfen, lässt Sie vielleicht sogar stolz sein. Sie entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass diese anderen ebenfalls Probleme haben und Schwierigkeiten überwinden müssen. Möglicherweise größere als Sie.
Letzteres stärkt das Wissen um Ihr eigenes gutes Leben und kann die Dankbarkeit darüber vergrößern.
Sie sehen sich als altruistischen und teilnahmsvollen Menschen
Ein erheblicher Vorteil von Güte und Freundlichkeiten gegenüber anderen sind ihre Auswirkungen auf Ihre Selbstwahrnehmung. Wenn Sie gute Taten begehen, nehmen Sie sich vielleicht als altruistische und mitfühlende Person wahr. Diese neue Identität kann ein Gefühl der Zuversicht, des Optimismus und der Nützlichkeit erzeugen.
Sie nehmen Ihren Einflussbereich stärker wahr
Anderen zu helfen oder sich freiwillig für einen guten Zweck einzusetzen, stärkt Ihre Fähigkeiten, Ihre Ressourcen und Ihr Wissen und gibt Ihnen ein Gefühl von Kontrolle über Ihr Leben (Williamson et. al, 1989).
Sie nehmen plötzlich wahr, dass es überall auf der Welt Menschen gibt, die etwas gebrauchen können und dankbar über Hilfe sind. Egal, ob über eine Geldspende, das Bereitstellen Ihrer Zeit, Kraft oder Ihres Wissens.
Sie entdecken neue Fähigkeiten und Talente bei sich
Vielleicht hatten Sie längst das Glück, über den „Umweg“ einer Hilfsaktion oder guten Tat zu bemerken, dass Sie etwas besonders gut können: in kritischen Situationen die Ruhe zu bewahren und Führung zu übernehmen. Schnell zu handeln und zielsicher Entscheidungen zu treffen. Kindern oder Erwachsenen etwas beizubringen oder Zusammenhänge schnell zu erfassen und dieses Wissen zu nutzen…
Dieser Effekt kann Ihnen ein Gefühl der Wirksamkeit verschaffen. Sie haben etwas vollbracht, etwas Neues hinzugewonnen. Wenn Sie erst einmal auf den Geschmack gekommen ist, wie gut es sich anfühlt, eine neue an sich entdeckt zu haben, systematisieren Sie das Finden Ihrer Stärken vielleicht ja sogar.
Sie schaffen damit eine positive Aufwärtsspirale und bekommen zurück
Güte kann eine Starthilfe sein, die wiederum eine Reihe von positiven sozialen Folgen nach sich zieht. Anderen zu helfen, führt die Menschen zu Ihnen (und nicht nur die, denen Sie bereits geholfen haben). Diese Menschen wissen Sie zu schätzen, können von sich aus Dankbarkeit zeigen und helfen Ihnen eventuell in Zeiten der Not aus der Patsche.
Liebenswürdigkeit, Güte und Freundlichkeit kosten nichts
Schön ist, dass Sie kein besonderes Talent, eine besondere Summe von Geld oder ein Mindestmaß an Zeit brauchen, um für andere hilfreich etwas Gutes zu tun. Vielfach sind es die kleinen Dinge, die Großes in Gang bringen. Natürlich können Sie Hilfsorganisationen Ihre Zeit, Ihr Geld oder Ihre Talente spenden (aber dann spenden Sie bitte effektiv!), aber häufig reicht der Blick auf Ihren Arbeitsplatz, Ihre Familie, Ihre Nachbarn.
Schade wäre in der Tat, wenn Sie sich auf die Hilfsbedürftigkeit der Welt stürzten, wenn dadurch die Ihnen nahen und nahestehenden Menschen Ihre Kraft missen müssten.
Denn auch, wenn eine gute Tat für Ihnen unbekannte Menschen Ablenkung verschafft von den eigenen Themen zu Hause oder im Freundeskreis, sind die Effekte häufig größer, wenn Sie sich um jene zuerst kümmern und schauen, wo Sie Ihre Fähigkeiten einsetzen und Ihrer positiven Energie freien Lauf lassen.
Und, wo können Sie Ihre Fähigkeiten schon einsetzen? Falls Sie ein paar Impulse benötigen, holen Sie sich diese am besten hier. Viel Spaß!
Foto: Jose Téllez via flickr
Literatur
Berscheid , E. (2003). The human’s greatest strength: Other humans. In Aspinwall, L. G., Staudinger, U. M. (Eds.), A psychology of human strengths: Fundamental questions and future directions for a positive psychology (pp. 37-47).
Clark, M. S. (1991). Prosocial behavior. Kalifornien: Sage Publications, Inc.
Lyubomirsky, S., Sheldon, K., & Schkade, D. (2005). Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change. Review of General Psychology, 9(2), 111-131.
Williamson, G. M., & Clark, M. S. (1989). Providing help and desired relationship type as determinants of changes in moods and self-evaluations. Journal of Personality and Social Psychology, 56(5), 722–734.
Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit sind Verhaltensmuster, die uns, wenn wir in einer einigermaßen intakten Umwelt aufwachsen, als Kinder beigebracht bekommen. Das freundliche Lächeln, welches wir aussenden, signalisiert, ich führe nichts Böses im schilde, oft wird Fällen wird zurückgelächelt, damit wird die Basis für eine friedliche Kommunikation gelegt.
Liebenswürdigkeit ist eine zweckgerichtete Freundlichkeit. Zugegeben, das klingt ziemlich hart, gehört aber zu unserem Verhaltensrepertoire, das uns das Leben in einer Gemeinschaft erleichtert. Ich verhalte mich so, dass ich würdig bin, von den anderen geliebt zu werden.
Güte aber ist etwas, was wir zunächst von Anderen erfahren müssen, Es ist ein Verhalten, das zu einem Großteil aus Verzeihen und Vergeben besteht und vorrangig keine materiellen Gewährleistungen beinhaltet, wobei diese in der Folge gütigen Verhaltens nicht auszuschließen sind. Güte bedeutet Verzicht auf Strafe, Rache oder Abwendung auch dann, wenn es der „Sünder“ nicht verdient hat.
Güte würde ich nicht in eine Reihe mit Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit stellen, da sie weitergeht und größere Anforderungen an den Betreffenden stellt. Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit sind dagegen relativ leichte Übungen.
Vielen Dank für deine Erläuterungen zu dem Artikel!
Ich bin deiner Meinung, dass zwischen den Übersetzungen von „Kindness“ aus dem Englischen diverse Unterschiede bestehen. Ob diese aus unserer Kindheit und der dazugehörigen Erziehung stammen oder aus anderen Lebenszeiten durch Vorbild anderer, ist in diesem Falle für mich nicht relevant gewesen. Trotzdem eine Betrachtung wert.
Was mir wichtig ist: die Anwendung dieser Dinge – im Artikel zusammen gefasst „gute Taten“ – ist eine Übungssache und etwas, das manchmal wieder ins Bewusstsein geholt werden muss, um die positiven Effekte wahrnehmbar zu machen.
Güte würde ich nicht in eine Reihe mit Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit stellen, da sie weitergeht Ob Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit leichte Übungen sind, liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters. 🙂