Im letzten Artikel, dem Teil 1 von Was uns davon abhält, unsere Eltern besser kennen zu lernen habe ich Gründe beleuchtet, warum wir uns schwer tun oder es unterlassen, unsere Eltern (oder den noch verbliebenen Elternteil) näher kennen zu lernen.

Die Anlässe dafür zu kennen ist der erste Schritt, diese fehlende Kenntnis zu ändern. Wenn Sie denn wollen…

Es geht weiter mit den Gründen 6-10, was uns davon abhält, unsere Eltern besser kennen zu lernen.

6. Keine Zeit

Zu Studentenzeiten kam ich dann und wann zu Besuch zu meinen Eltern, war letzten Endes an solch einem Wochenende aber nur wenige Male mit meinen Eltern zusammen. Ich besuchte meine Freunde in der Heimat, war stets auf Achse und kam alleine zum Schlafen und Essen in die heimischen vier Wände.

Prioritäten verschieben sich, und wo ich damals die Freunde vorzog und nichts verpassen wollte, weiß ich heute, dass nicht nur mein Leben begrenzt ist, sondern ebenso das meiner Eltern.

Aber auch heute geht nicht jede Tochter regelmäßig zu ihrer nah an ihr wohnenden Mutter oder nimmt den Hörer in die Hand, um sie anzurufen.

Früher ungeliebte Spaziergänge sind heute eine Möglichkeit, an der frischen Luft über die Welt zu sprechen. Nahrungsaufnahme zwischen Tür und Angel wurde zu bewussten Mahlzeiten. Einsames Joggen oder Fahrradfahren kann ein Ausflug sein, der Verbundenheit schafft. Sogar Skype kennen zu lernen und mit seinen Eltern zu nutzen, kann eine schöne Erfahrung sein.

Was sparen Sie wirklich an Zeit ohne den Kontakt zu Ihren Eltern? Was ersparen Sie sich und warum?

7. Genug Zeit

Dem „keine Zeit“ steht das gegenteilige Phänomen gegenüber. Eltern waren (bei den meisten) schon immer da. Und genauso, wie wir mit dem naiven Gedanken in den Tag hinein gehen, dass wir unsterblich sind und nie alt, gebrechlich und mal weniger lebendig sein könnten, ist dieser Gedanke über unsere Eltern häufig ebenso präsent.

Ich erspare mir die Geschichten, wie Menschen aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis plötzlich gestorben sind und niemand sich das jemals hätte denken können.

Wenn ein alter Mensch stirbt verbrennt eine ganze Bibliothek.

–Afrikanisches Sprichwort

Wann ist der beste Zeitpunkt, seine Eltern kennen zu lernen? Und was glauben Sie, wie lange haben Sie noch Zeit dafür?

8. Die zwiespältige Rolle des Kindes

Es ist seltsam: in Bezug zu Kreativität und Spaß referenzieren wir gerne auf unsere Kindheit und die Dinge, die wir daraus lernen können. Kommen wir nach Hause zu unseren Eltern, ist es maximal einen Tag schön, wieder in der umsorgten Rolle des Kindes zu sein.

Auf Augenhöhe als Erwachsener von seinen Eltern betrachtet zu werden, ist verbunden mit all den vorangegangenen Gründen: Respekt der Eltern vor dem Leben des Kindes, Stolz nicht auf „die Tochter“ sondern auf „die Frau“, Akzeptanz der Gemeinsamkeiten ohne den Gedanken, dass das alles ausschließlich durch die Gene bestimmt war.

Das Gefühl, bei den Eltern (fortwährend) Kind zu sein, kann dem Gefühl des Erwachsen-Seins oder -Werdens im Wege stehen.

Aber gerade durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Eltern kann man der Kindheit ent-wachsen und umsetzen, dass sie Sie nicht mehr als das kleine Kind behandeln, sondern erkennen, wem sie gegenüber stehen, welche Gedanken dieser einst kleine Möpps sich bereits über das Leben (und seine Eltern) gemacht hat und wie das einem Kennenlernen zugutekommt.

Wo benötigen Sie Ihre Eltern noch als Kind? Warum?

9. Nicht verzeihen zu wollen

Vielleicht würden Sie gerne auf Ihre Eltern zugehen und mit ihnen über ihr Leben sprechen. Aber zuerst müssen sich Ihre Eltern entschuldigen. Für etwas, dass Ihnen seit geraumer Zeit quer liegt und bei dem Sie sich geschworen haben, Ihren engstirnigen, bockigen Eltern keinen Deut entgegen zu kommen!

Ist es das wirklich wert?

Geht es hier um „Wer hat angefangen?“ oder vielleicht eher um unterschiedliche Anschauungen derselben Sache?

10. Harmoniebedürfnis & andere vorgeschobene Gründe

„Weil sie nie zuhören“ oder „Weil es sie nicht interessiert, was ich mache“ sind möglicherweise ebenfalls Gründe, die Sie abhalten, auf Ihre Eltern zuzugehen. Verständlich, denn wer möchte schon den Beweis dafür haben, dass man für seine eigenen Eltern nicht interessant ist?!

Aber mal Hand auf’s Herz:

Was muss passieren, damit es so weit kommt?
Ich meine: für immer?

Dass Eltern ab und an genug von ihren Kindern haben – ähnlich wie wir in jungen Jahren unsere Eltern dahin gewünscht haben, wo der Pfeffer wächst – ist denke ich normal.

Es gibt Hunderte von Themen, die brenzlig wären und sich nicht kauend beim Mittagessen besprechen ließen. Aber mit jedem dieser Themen lernen Sie Ihre Eltern ein Stück mehr kennen.

Und damit gleichfalls sich.

Und wenn Sie sich gestritten haben, schauen Sie, was dahinter steckt. Viel unausgesprochener Gram basiert auf Missverständnissen, falschen Annahmen und dem Hang anzunehmen, jeder Mensch sei so wie man selbst

Tipp: Zwei gute Bücher, um seine Eltern besser kennen zu lernen und ein paar Leitfragen dafür zur Hand haben, sind Papa und Mama, erzähl mal: Das Erinnerungsalbum deines Lebens. Übrigens auch ein schönes Weihnachtsgeschenk, um an den tv-lastigen Feiertagen mal tiefer mit seinen Eltern ins Gespräch zu kommen…

 

Foto: Candida.Performa