Im mentalen Flow-Zustand sind Sie hocheffizient und kreativ. Sie spüren tiefe Glücksmomente bei der Arbeit und erzielen ein Ergebnis, das Ihre Erwartungen oft übersteigert. Es fühlt sich rund und gut an, weil es in einem G(en)uss aus Ihnen herausgeflossen ist. Das können Sie bewusst immer wieder herbeiführen. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie das hinbekommen.

Dieser geschätzte Gastbeitrag ist von Pia Parolin.

Flow was?

Sie kennen ihn, diesen schwerelosen Gemütszustand, in dem plötzlich alles wie am Schnürchen läuft. Ob beim Musizieren, beim Sport, beim Lösen einer komplizierten Aufgabe – sie sind hochgradig fokussiert und es fühlt sich angenehm an, in eine doch recht schwierige Thematik einzutauchen.

Ein fast ekstatisches Gefühl stellt sich ein, das außerhalb der alltäglichen Realität zu sein scheint. Im Kopf herrscht große Klarheit. Sie wissen, was und wie Sie es tun müssen. Sie spüren, Sie sind der Aufgabe gewachsen, Ihre Fähigkeiten sind angemessen. Damit überkommt Sie ein Gefühl der Gelassenheit, Sie spüren keine Sorge.

Vielmehr beschleicht Sie das Gefühl, über die Grenzen des Selbst hinauszuwachsen. Zeitlosigkeit macht sich breit, Sie sind durch und durch auf die Gegenwart fokussiert. Stunden können vergehen und Sie merken es nicht. Und am Ende haben Sie eine schwierige Hürde genommen, und es hat wunderbar geklappt.

Das macht sie mehr als zufrieden. Endlich geschafft: Stolz und Glück durchfluten Sie. Das war der Flow.

Und Flow klappt bewusst?

Flow und seine schönen Nebeneffekte können Sie bewusst herbeiführen. Sie brauchen ein paar Tricks und etwas Übung, um die idealen Umstände zu schaffen, aber es lohnt sich vielfach!

Der mentale Zustand des Flows ist ein psychologischer Konzentrationszustand, der zu einer großen Leichtigkeit und Effizienz beim Lösen Ihrer Aufgabe führt. Es ist positive Energie, die Sie befähigt, sich angetrieben von Hormonen und dem gegenwärtigen Moment nur auf die jeweilige Aufgabe zu konzentrieren. Ihre gesamte kreative Kraft richtet sich ausschließlich auf die eigentlich anstrengende Beschäftigung, der Sie nachgehen.

Wie also führe ich den Flow-Zustand herbei?

Der Flow-Zustand ist umso zuverlässiger herbeizuführen, je besser Sie ihn verstehen. Er stellt sich physiologisch im Gehirn durch Hormonausschüttungen ein. Mit bestimmten Verhaltensmustern können Sie aktiv die Wahrscheinlichkeit erhöhen, in einen Flow zu kommen. Und das kann jeder, ohne geschlechtsspezifische Unterschiede oder altersbedingte und kulturelle Divergenzen.

Leider gibt es kein allgemeingültiges Rezept nach dem „Man nehme“-Prinzip. Es gibt starke individuelle Unterschiede, je nach Charakter und Wesen. Deswegen ist es so wichtig, sich selbst vor dem Flow-Zustand zu durchblicken.

Praxistipp: Recherchieren Sie die „Big 5“ der Charaktertypen. Es gibt in der Psychologie ein normiertes Testverfahren, um die eigenen Persönlichkeitseigenschaften einzustufen. Dazu finden Sie eine Reihe von frei zugänglichen Tests im Internet. Sie verstehen so besser, wo Sie sich einordnen können und was das für Ihren Umgang mit Aufgaben, Arbeit, Leistung und der Suche nach Spaß bedeutet. Je besser Sie sich kennen und realistisch einordnen, umso klarer können Sie sich Ihr Flow-Rezept zusammenmixen.

Panta rei – Alles fließt

Der subjektive Zustand des Wohlbefindens – der Flow – trägt Sie in ein Gefühl der Leistung und des Wohlbefindens. Sie tauchen in den Fließzustand ein und steuern auf Ihr selbstgewähltes Ziel zu. Dabei sind Sie um ein Vielfaches produktiver als an einem durchschnittlichen Tag. Alles läuft mühelos, unbekümmert und ohne Strapaze ab.

Hintergrund des Flows

Der Begründer der Flow-Konzeptes, Prof. Mihaly Csikszentmihalyi, untersucht seit 1975 verschiedene Konzepte von Glück, das subjektive Wohlbefinden und Motivation. Er definiert Flow als einen Zustand völliger Absorption in einer Aktivität, in der das Ich verschwindet, Zeit keine Rolle spielt und sich ein Gefühl der Freude, Freiheit und des Selbstbewusstseins entwickelt.

Im Gehirn wird dabei der Präfrontal-Kortex heruntergefahren. Im Frontallappen des Gehirns ist der präfrontale Kortex dafür verantwortlich, dass emotionale Zustände bewertet und Handlungen systematisch gesteuert und die Selbstreflexion verringert werden. Was dabei im Gehirn physiologisch passiert und wie Flow sich im Gehirn auswirkt, ist noch nicht abschließend erforscht.

Richtige Balance zwischen Anforderungen und Ziel

Die Kernaussage des Flow-Konzepts ist, dass Sie sich im Gleichgewicht zwischen dem Ausmaß der Anforderung und der Höhe Ihrer Fähigkeiten wiederfinden. Dazu sind natürlich auch Ihre Stärken eine große Unterstützung!

Sind Ihre Fähigkeiten zu gering und die Anforderungen zu hoch, werden Sie überfordert sein. Das Ergebnis ist Unruhe, Frust und letztendlich Stress.

Sind die Anforderungen hingegen an Ihren Fähigkeiten gemessen zu niedrig, fühlen Sie sich unterfordert. Das Ganze endet in Routine und Langeweile.

In keinem der beiden Fälle entsteht kein Flow und Sie fühlen sich nicht wirklich erfüllt und effizient in dem, was Sie tun.

Praxistipp: Definieren Sie ein Ziel, Ihre aktuelle Herausforderung. Machen Sie es sich nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht. Hören Sie auf Ihren Instinkt und lassen sie los.

Die Strategie der arbeitenden Ameise

Kreatives Schaffen ohne Grenzen ist etwas Wunderbares. Sie überlegen nicht lange, Sie machen einfach, wie ein Kind, wie die spielende Heuschrecke, ohne Leitfaden. Was dem Geiste immer mal gut tut, ist nicht zielführend für den Flow.

Hierfür ist Strategie der arbeitenden Ameise hilfreich: Sie gehen Planung vor, definieren Ihr Ziel klar und verfolgen einen geplanten Weg, um möglichst effizient Ihr Ziel zu erreichen. Nur durch solche Anstrengung geraten Sie in den Flow, und der kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.

Der Mischung macht’s – Disziplin und Intuition

Identifizieren Sie erstmal rein spielerisch, was Ihnen überhaupt Spaß macht. Dann schlüpfen Sie in die Rolle der arbeitenden Ameise. Sie legen Disziplin an den Tag und scheuen mühsame Auseinandersetzungen und intensive Überlegungen nicht, um mit Ihrem Thema weiterzukommen.

Schlussendlich können Sie sich zurücklehnen und Ihre Kreativität in aller Freiheit entfalten. Das geschieht dann aber von einem anderen Niveau aus, welches Sie mit dem Mindset der Ameise vorher aufgebaut haben. Ein Mix aus Anstrengung und Disziplin einerseits und Freiheit und Intuition andererseits zahlt sich aus.

Praxistipp: Stellen Sie sich die Frage, was Ihnen richtig Spaß macht. Wobei geben Sie nicht so schnell auf? Nehmen Sie dieses Thema und arbeiten Sie es aus, häufen Sie Hintergrundwissen an. Danach können Sie es wie im Spiel laufen lassen.

Die 5 positiven Effekte von Flow

1. Der Weg zum Glück

“Am glücklichsten sind wir, wenn unser Geist an seine Grenzen stößt, um in einer freiwilligen Anstrengung etwas Schwieriges und Lohnenswertes zu vollbringen.“

Das sagt Professor Csíkszentmihályi und schreibt das Geheimnis des Glücks einem Zustand des Flows zu. Denn Glück passiert nicht einfach, Sie erlangen es aktiv. Glück ist untrennbar damit verbunden, dass Sie etwas erreichen können. Und im Flow wird der Weg geebnet.

2. Dranbleiben geht im Flow leichter

Flow ist verantwortlich für den Antrieb, dass Sie sich lange und intensiv mit einer Tätigkeit beschäftigen. Aber leider genügt es nicht, zu wissen, wie es geht. Sie müssen, wie Musiker und Sportler, ständig üben. Im Flow haben Sie mehr Ausdauer, es fällt Ihnen leichter, nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen. Und statt nach dem Dauerkick von außen zu suchen, werden Sie selbst gesteckte komplizierte Themen angehen. Das erhöht am Ende Ihre Zufriedenheit.

Praxistipp: Überlegen Sie, ob Sie den Flow-Zustand an sich kennen. Beobachten Sie, was passiert, um zu merken, wann und wie Sie in den Flow kommen. Wenn Sie ein Gefühl dafür entwickeln, was Sie in den Flow-Zustand zu versetzen vermag, können Sie ihn beliebig oft reproduzieren.

3. Im Flow macht Fleiß Spaß

Während des Flows befinden Sie sich trotz Anstrengung in einem Entspannungszustand. Tiefe Konzentration geht mit Aufnahmefähigkeit einher, die Ihnen plötzlich ganz leichtfällt. Sie versinken in Ihrer Arbeit und nehmen sie gar nicht als Last wahr. Sie vollbringen Höchstleistungen, ohne sie als Anstrengung zu empfinden.

Obwohl Ihre Aktivität objektiv sehr anstrengend sein kann und viel Energie verbraucht, empfinden Sie Leichtigkeit. Die innere Befriedigung lässt Sie ohne hinterfragen durchhalten.

4. Effizientes Weiterkommen

Den Flow können Sie für alles einsetzen, was Sie tun möchten. Nicht nur in Sport, Musik oder bei schwerer Denkarbeit im Job wird er Ihnen helfen. Selbst bei unangenehmen, aber trivialen, notwendigen Dingen, wie den Keller ausmisten, können Sie in einen Flow kommen. Das kennen Sie vielleicht: wenn es Sie packt, fliegt plötzlich alles viel leichter raus. Im Nu haben Sie sich von Dingen getrennt, die sie für wichtig hielten.

5. Aus dem Teufelskreis rauskommen

Kreative Ideen haben macht Spaß, und es fällt oft leicht, neue Ideen zu haben. Sie dann aber tatsächlich anzugehen, in die Tat umzusetzen, daran bleiben wir oft hängen.

Hier leistet der Flow Abhilfe. Er ermöglicht es, aus dem wiederkehrenden Teufelskreis auszubrechen, das im Kreis Drehen wird aufhören, weil Sie im Flow nicht vor dem schweren Teil der Aufgabe zurückschrecken. Sie geben sich die Mühe, das Schwierige anzupacken, weil Sie sich auf den Flow verlassen können. Er kommt, und hilft, wenn Sie nur die richtige Herangehensweise beachten, damit sich der mentale Zustand einstellen kann.

Dem Flow den Weg bereiten

Um in den Flow zu kommen, sollten Sie alle Störungen abschalten (das heißt also, “nein” sagen!) und sich nur auf Ihr Vorhaben konzentrieren. Wenn das Gehirn Multitasking betreibt, können Sie gleichzeitig auf verschiedene Dinge reagieren, aber weniger schnell und weniger gut. Sie brauchen innere Ruhe und Zeit für den Flow, der 100% Ihrer Aufmerksamkeit braucht.

Sie bauen klare Zeitfenster, in denen Sie die Ruhe zum entspannten Arbeiten finden. Das Handy legen Sie weit weg, die Türe schließen Sie. Ihren Kollegen oder Ihrer Familie erklären Sie freundlich, dass Sie bitte eine Stunde lang wirklich nicht gestört werden wollen. So sind Sie ohne Sorge, dass Ihnen Zeit und Inspiration weglaufen, und dass Sie im entscheidenden Moment aus dem Flow gerissen werden.

Praxistipp: Welches sind Ihre Flow-Killer? Identifizieren Sie ehrlich, was Sie von der Aufmerksamkeit abbringt. Und suchen Sie nach Möglichkeiten, dieses in Zukunft zumindest für ein halbstündiges Zeitfenster – so lange dauert ein Flow normalerweise – zu umgehen.

Ihre wichtigste Ressource für Flow

Nicht die Zeit, wie viele vermuten, ist Ihre wichtigste Ressource. Es ist vielmehr Ihre Aufmerksamkeit. Aufmerksam sein und sich fokussieren tragen zur Verbesserung der Leistungen bei und führen zu wahren, reproduzierbaren Glücksgefühle. Egal, wie viel Zeit Sie sich dafür nehmen.

Foto: mit freundlicher Genehmigung von Pia Parolin aus Flow – Fotografieren als Glückserlebnis.

Literatur:

Csikszentmihalyi, M. & Charpentier, A. (2017). Flow das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta.

 

Pia Parolin - Flow - Was Wäre Wenn - Positive Psychology und Coaching BonnDr. rer. nat. habil. Pia Parolin ist Biologin, Fotografin und Buchautorin. Im dpunkt.Verlag ist 2020 ihr erstes nicht biologisches Buch erschienen: “Flow – Fotografieren als Glückserlebnis“, in dem sie erklärt, wie Sie die Psychologie des Flow verstehen und gezielt für kreatives Arbeiten und Fotografieren nutzen. (Profilfoto Heike Hahn)