„Emotionale Männer“ ist ein hoffentlich berührender Text über moderne Väter, emotionale Präsenz und die leise Revolution von Männern, die sich wirklich zeigen. Mit Impulsen für ein neues Vater- und Männerbild.
Ein Dank, der tiefer geht
Es ist Vatertag.
Und ich will Danke sagen.
Nicht das lauwarme „Danke, dass du den Müll runterbringst und mal den Buggy schiebst“-Danke.
Sondern das echte. Das tiefe.
Für dich. Für Männer wie dich.
Für Väter, die morgens früh rausgehen,
den Spagat versuchen zwischen Job, Kindern, Partnerschaft und sich selbst.
Für Väter, die sich nicht beklagen, obwohl sie manchmal kaum noch atmen können.
Für Väter, die da sind –
auch wenn sie nie gelernt haben, wie sich echte Nähe anfühlt.
Für die, die sich nachts mit schreienden Babys abmühen,
dann um 7 Uhr im Meeting sitzen,
und sich trotzdem noch fragen, ob sie ihrer Beziehung als Partner genügen.
Für die, die in Gesprächen oft schweigen, weil ihnen die Worte fehlen.
Nicht, weil sie nichts zu sagen haben.
Sondern weil nie jemand ein zuhörendes Rollenbild war, als sie gelernt haben, wie Männer sein sollen.
Ein Blick zurück: Mein eigener Vater
Ich bin in einem liebevollen Haushalt groß geworden.
Mutter Krankenschwester, nach zwei Monaten Elternzeit wieder voll im Krankenhaus.
Papa Elektrotechniker, Vollzeit unterwegs.
Meine Erinnerung, wie er sich nach der Arbeit zwei Sessel zusammenrückt und erstmal 15 Minuten powernap.
Wir hatten wenig Überfluss, aber viel Stabilität.
Es gab Grenzen. Es gab Liebe.
Es gab das Gefühl: Ich bin gehalten – auch wenn nicht immer alles ausgesprochen wurde.
Und auch wenn vieles unausgesprochen blieb, war da etwas Greifbares.
Ein Raum, in dem ich wachsen durfte.
Ein Fundament, das heute noch trägt, auch wenn ich manches erst später verstanden habe.
Jahre später, nun als Mann, als Sohn, als Vater, weiß ich,
wie viel Arbeit hinter diesem Gefühl steckt.
Wie viel Unsichtbares.
Wie viel Verzicht.
Wie viel „Ich hab das doch für euch gemacht“ – manchmal ohne zu wissen, wie man überhaupt fragt, was gebraucht wird.
Wie viele schlaflose Nächte. Wie viele unbeantwortete Fragen. Wie viel Anpassung, auch ans Unausgesprochene.
Die Männer zwischen den Welten
Und ich sehe derzeit Männer, die genau da stehen.
Zwischen Generationen.
Zwischen Rollenerwartungen.
Zwischen emotionaler Intelligenz und der fehlenden Verbindung zum Gefühlsleben.
Zwischen „Ich mach doch schon so viel“ und „Ich hab keine Ahnung, was Verbundenheit überhaupt bedeutet. Ich bin überfordert!“.
Ich sehe, wie ihr kämpft.
Wie ihr gebt.
Wie ihr manchmal verliert – und trotzdem wieder aufsteht.
Ich sehe, dass ihr euch entwickelt.
Nicht laut, nicht dramatisch.
Aber Schritt für Schritt.
Manchmal rückwärts. Manchmal im Kreis.
Aber immer mit dem Wunsch, näher an euch selbst zu kommen.
Warum es trotzdem nicht reicht
Und trotzdem reicht es nicht.
Noch nicht.
Weil Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit tragen.
Weil emotionale Arbeit oft ausgelagert wird.
Weil viele Männer denken, sie seien präsent – haben aber innerlich längst abgedockt.
Weil es Mut braucht, die eigenen Abwesenheiten zu erkennen. Und sie zu benennen.
Weil Kinder heute mehr brauchen als reine Versorgung.
Sie brauchen Präsenz. Weichheit. Reflexion. Emotion.
Sie brauchen gute Vorbilder. Väter, die mit sich selbst im Gespräch sind.
Die bereit sind, alte Muster zu hinterfragen.
Die zeigen: Ich lerne gerade, dich zu lieben, ohne mich selbst zu verlieren.
Das eigentliche Geschenk kennenlernen
Und das ist das eigentliche Geschenk:
Dass du dich nicht nur für andere auf den Weg machst –
sondern auch für dich selbst.
Dass du lernst, weich zu werden, ohne deine Kraft zu verlieren.
Klar zu sein, ohne hart zu werden.
Zu führen, ohne zu kontrollieren.
Und zu lieben, ohne dich selbst zu vergessen.
Ich schreibe dir heute nicht, um dich zu coachen.
Ich schreibe, weil ich dich sehe.
Weil ich weiß, wie viel du trägst –
und wie wenig du vielleicht noch darüber sprichst.
Weil ich deine Sehnsucht spüre, endlich ganz zu sein. Ohne Maske. Ohne Druck.
Ich schreibe, weil ich glaube:
Wenn Männer sich ehrlich zeigen, verändert sich mehr als jede Quote es je könnte.
Weil authentische Männer nicht laut sein müssen, um Einfluss zu haben.
Sondern still. Echt. Anwesend.
Also danke.
Für deine Liebe. Für deinen Einsatz.
Für deinen Mut zur Entwicklung.
Und für deine Fehler. Für das Ringen. Für die Momente, in denen du nicht weiterweißt, aber trotzdem bleibst.
Und für alles, was du noch nicht bist – aber werden willst.
Ein Dank an alle Männer – mit und ohne Kinder
Aber vielleicht liest du das hier und hast (noch) keine Kinder.
Oder deine Kinder sind längst groß.
Oder du hattest nie die Chance, Vater zu sein – oder hast sie verpasst.
Dann will ich dir das sagen:
Es ist nicht zu spät, ein „Vater“ zu sein.
Denn Vatersein ist mehr als Biologie.
Mehr als Sorgerecht, Windelwechseln, Kita-Elternabend.
Vatersein heißt: Raum halten. Orientierung geben.
Lieben, ohne festzuhalten.
Zuhören, ohne zu lösen.
Da sein – für andere. Für dich.
Vielleicht bist du Mentor. Freund. Partner. Oder einfach ein Mann, der sein Herz nicht mehr wegpacken will.
Vielleicht warst du emotional abwesend und willst jetzt näher sein.
Vielleicht glaubst du, du hättest alles verpasst – aber das stimmt nicht.
Dann gilt dieses Danke auch dir.
Gerade dir.
Weil du zeigst, dass Entwicklung nicht aufhört.
Dass Liebe nicht an Gene gebunden ist.
Dass du Vorbild sein willst für Söhne, Töchter und nächste Generationen.
Dass Männlichkeit gesund wachsen darf – in jedem Alter.
Und dass es nie zu spät ist, zu sagen: Ich bin bereit, anders zu lieben.
Aber da lesen dein Handeln noch nicht verändert – hier fünf Ideen, wie du dieses Wissen in den Alltag übersetzen kannst.
Emotionale Intelligenz? 5 Ideen, wie du dranbleiben kannst
- Führe regelmäßig ein Check-in mit dir selbst durch: Frag dich: Bin ich heute wirklich da gewesen? Nicht nur körperlich, sondern innerlich, mit innerer Stärke, Wut, Tränen, der Fähigkeit zur Selbstreflexion? Ein ehrliches Innehalten kann mehr bewegen als jedes Buch, jeder Blog-Artikel.
- Rede mit einem anderen Mann über Gefühle: Ein Freund. Ein Bruder. Ein Kollege. Nichts Großes. Vielleicht nur: „Ey, das war hart für mich.“ Das reicht. Und öffnet.
- Schreib deinem Kind oder deinem Vater einen Brief: Du musst ihn nicht abschicken. Aber du wirst dich anders sehen, wenn du versuchst, ehrlich zu schreiben. Ohne Schminke. Ohne Ausflüchte.
- Stell dir die Frage: Was braucht mein inneres Kind heute von mir? Nicht damals. Jetzt. Vielleicht Anerkennung. Vielleicht Ruhe. Vielleicht endlich einen Platz.
- Such dir eine Struktur, die dich trägt: Ob ein Männerkreis, ein Coach, ein Ritual. Entwicklung braucht Raum. Und Wiederholung. Nicht nur Einsicht, sondern Haltung. Andere, die ihre Vaterrolle wie emotional intelligente Männer ausfüllen konnten – oder das noch mit emotionaler Reife tun. Andere, die ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit mit Selbstbewusstsein ausdrücken. Und trotzdem respektieren, dass Traurigkeit, Gelassenheit, dich verletzlich zeigen oder auch Humor oft nah beieinander liegen.
Und was sagt die Wissenschaft, die Positive Psychologie zu dieser Situation?
Psychologische Perspektiven auf neue Männlichkeit und emotionale Männer
- Warum wir lieber stark wirken als ehrlich fühlen: Viele Männer wurden sozialisiert mit der Botschaft: „Gefühle machen dich schwach.“ Studien zeigen, dass emotionale Unterdrückung langfristig zu erhöhtem Stress und Beziehungsproblemen führt (Mahalik et al., 2007). Insbesondere, wenn Emotionen eher ertragen als kommuniziert werden.
- Warum wir bei uns selbst blinde Flecken haben: Die sogenannte „emotionale Alexithymie“ – das Unvermögen, Gefühle zu benennen – betrifft Männer signifikant häufiger (Levant et al., 2013).
- Warum Care-Arbeit kein „Helfen“, sondern Verantwortung ist: Männer, die in der Familie „mithelfen“, reproduzieren unbewusst das Narrativ (oder auch den Konflikt), dass Care-Arbeit nicht ihr eigentlicher Bereich ist (Hochschild & Machung, 2012). Sie reagieren in ihrer vermeintlichen Eigenschaft als Versorger auf den Mental Load ihrer Partnerinnen, was nicht selten zum Streit führt.
- Warum Verbundenheit nicht durch Leistung entsteht: Emotionale Sicherheit entsteht nicht durch To-dos, sondern durch emotionale Verfügbarkeit – durch Präsenz, Zuhören, Mitgefühl (Brown, 2014).
- Warum Transformation nicht männlich oder weiblich ist – sondern menschlich: Resilienz bedeutet heute: verletzlich UND klar zu sein. Integriert. Ganz (Neff, 2011). Der Schlüssel liegt nicht im Geschlecht. Sondern darin, sich gegenseitig zu schätzen, sensibel auf die Umwelt zu reagieren und sein Bestes zu finden und zu geben.
Und hier ein Tipp zum Beginnen: Die eigenen Emotionen, die eigenen Gefühle zulassen – das ist einfacher gesagt, als getan. Oft eine Herausforderung. Selbst für mich als Diplom-Psychologe mit Taschen voller Ausbildungen.
Mehr Achtsamkeit für die Anzeichen deines Körpers und Akzeptanz für dein Menschsein fördern aber dein Verständnis für dich. Für andere.
Literatur
- Brown, B. (2014). Verletzlichkeit macht stark: Wie wir unsere Schutzmechanismen aufgeben und innerlich ganz werden (S. Blaschke, Übers.). Kailash.
- Hochschild, A. R., & Machung, A. (2012). The Second Shift: Working Families and the Revolution at Home. Penguin Books.
- Levant, R. F., Allen, P. A., & Lien, M. C. (2013). Alexithymia in Men: How and When Do Emotional Processing Deficiencies Occur. Psychology of Men & Masculinity 2014, Vol. 15, No. 3, 324–334.
- Mahalik, J. R., Burns, S. M., & Syzdek, M. (2007). Masculinity and perceived normative health behaviors as predictors of men’s health behaviors. Social Science & Medicine, 64(11), 2201–2209.
- Neff, K. D. (2012). Selbstmitgefühl: Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden. Kailash.
- Perspective Daily (2025). So erziehen wir bessere Männer. (Abruf: 6.6.2025)