Ich liebe es, Artikel und Geschichten über Wohlbefinden und Positive Psychologie zu lesen.
Warum?
Weil sie mich optimistisch stimmen, dass in naher Zukunft eine wuchtige Dynamik entstehen wird, die all die fantastischen Theorien in großen Teilen Deutschlands und dem Rest der Erde in die Praxis umsetzen und sowohl in der Arbeitswelt als auch zu Hause große Dinge bewegen wird.
Das mag utopisch klingen. Ich denke nichtsdestoweniger, es ist ein lohnenswerter utopischer Gedanke.
Je mehr ich über Positive Psychologie lese, desto häufiger werde ich daran erinnert, dass Glück und Wohlbefinden weniger im Materiellen oder Besitztümern zu finden sind, sondern im Suchen und Finden der „größeren Sache“.
Das Schöne dabei: diese Suche ist unabhängig von unserer Herkunft oder unserem sozialen Hintergrund, unabhängig von unserem Status oder dem Einfluss, den wir auf andere haben. Diese Suche ist für jedermann und jederfrau zu haben.
Man muss sich „nur“ dafür entscheiden.
Und um diese Entscheidung für Sie einfacher zu machen (schließlich bin ich hier auf einer Mission unterwegs! ;), möchte ich Ihnen hier zehn Studien auflisten, die Ihre Sicht auf die Positive Psychologie und ihre Möglichkeiten verändern könnte.
1. Erfahrung schlägt Besitz
Das Erstehen von Erlebnissen und Erfahrungen führt zu größerem Wohlbefinden, nicht der Erwerb von Besitztümern (San Francisco State University, 2009). Die Studie zeigt, dass der Kauf von z.B. Theaterkarten oder einem guten Essen zu höherem Wohlbefinden führen als Materielles.
Erfahrungen scheinen die Bedürfnisse „höherer Ordnung“ zu befriedigen, also über Basisbedürfnisse hinaus zu gehen. Speziell das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit und dem Gefühl, „am Leben (also vital) zu sein“.
2. Wenn Geld ausgeben, dann für andere
Diese Studie legt nahe, dass es einen Effekt hat, wie Menschen ihr Geld ausgeben. Und zwar ist dies für das eigene Wohlbefinden mindestens ebenso wichtig wie die Höhe des eigenen Einkommens (Dunn et al., 2008).
Insbesondere, wenn Menschen ihr Geld für andere ausgaben, resultierte das in einem größeren Glücksgefühl. (Erkenntnis twittern)
Das ist möglicherweise sogar der Effekt, den wir beim Spenden bemerken. Oder beim Ausgeben der nächsten Kneipen-Runde. 😉
3. Dankbarkeit ist bei Wohlbefinden vorne mit dabei
Einen der größten Beiträge zum eigenen Wohlbefinden im Leben kann die gezeigte Dankbarkeit liefern. (Zitat twittern)
Der spürbare Unterschied ist laut dieser Studie bereits bei drei Dankbarkeitsaussagen pro Tag zu spüren (Seligman & Peterson, 2005).
4. Der starke Virus Happiness
Immer wieder zeigt sich, wie wichtig es ist, sich mit den richtigen Menschen zu umgeben. In dieser hochspannenden Studie waren Studienteilnehmer, die sich mit glücklichen Menschen umgaben, zukünftig mit höherer Wahrscheinlichkeit selber glücklicher (Fowler & Christakis, 2008) als die Kontrollgruppe.
Demgemäß sollte jeder, der sich auf die Suche nach dem Glück macht, ohne schlechtes Gewissen einen Umweg über die bereits glücklichen, fröhlichen Menschen machen.
5. Weniger (Gehalt) ist mehr (Wohlbefinden)
Ich würde gerne wie ein armer Mensch mit viel Geld leben.
Pablo Picasso
(Zitat twittern)
Menschen, die weniger Geld verdienen, wissen die kleinen Dinge im Leben laut dieser Studie besser auszukosten.
Das kann heißen, dass besser Verdienende sich an die vielen kleinen Dinge in ihrem Leben stärker gewöhnt haben; dass ihr Wohlbefinden gedämpft ist, es sei denn, sie legen noch einen Euro oben drauf. Es kann bedeuten, dass sie andere Menschen und das, was sie glücklich macht, weniger gut verstehen. Und am Ende mag es heißen, dass ihre Suche nach dem guten Leben lange andauern und voraussichtlich frustrierend sein wird.
Eine eigene Erfahrung dazu: Ich habe mit meiner Frau nach dem Psychologie-Studium einige Monate lang mit stark traumatisierten Kindern in Nepal gearbeitet. Ich kann manchmal immer noch schwer glauben, wie hoch das Wohlbefinden dieser Kinder trotz ihrer traurigen Vergangenheit war.
Ich durfte nach dem Nepalaufenthalt einen großen und wertvollen Erfahrungsschatz zum Thema „Zufriedenheit unter widrigen Umständen“ mitnehmen, der mit Geld nicht aufzuwiegen war.
6. Weniger (Klasse) ist mehr
In einer weiteren wichtigen Studie, die sich mit möglichen sozialen Klassenunterschieden beschäftigte (Kraus et al. 2010), zeigte sich die bei „niedrigeren Klassen“ ausgeprägtere Fähigkeit, emphatisches Verständnis aufzubringen, folglich die Gefühle anderer zu lesen und zu verstehen.
Die Forscher begründeten ihre Ergebnisse damit, dass Menschen mit niedrigerem ökonomischen Status einen geringeren Einfluss auf ihr Leben hätten und daher besser darin sein müssten, Emotionen derer zu deuten, von denen sie abhingen. Ihr Wohlbefinden hinge schließlich davon ab.
7. Kinder machen es (intuitiv) richtig
Kinder – und insbesondere sehr kleine – zu erforschen erfordert häufig kreative und spielerische Ansätze, so wie in dieser Forschungsreihe geschehen (Hamling et al., 2007; Bloom, 2010). Die Studien zeigten, dass Babys jene bevorzugen, die helfen anstatt hindern.
Selbst, wenn es sich bei „den Guten“ nur um Handpuppen handelt, ist es faszinierend, wie früh bestimmte Konzepte in uns aktiviert werden. Erstaunlich ist es weiterhin, wie das Wissen um die Tugenden „der Guten“ im Laufe der Zeit bei vielen verloren zu gehen scheinen…
8. Dankbarkeit: Der Wert der anderen
Dankbarkeit ist der Zauber einer reifen Seele…
Hans-Christoph Neuert und Elmar Kupke
In einer Studie über Jugendliche in Beziehung zu Dankbarkeit zeigte sich, dass es für uns von Vorteil ist, nicht nur dankbar zu sein, sondern Dankbarkeit desgleichen auszudrücken und zu zeigen (Froh et al., 2010).
Konsistent mit früheren Studien führte Dankbarkeit ebenfalls bei Jeffrey Froh und seinen Kollegen bei den Teilnehmern zu nachfolgend höherer Lebenszufriedenheit, insbesondere durch verstärkte soziale Integration.
Dankbarkeit verbindet uns mit anderen. (Zitat twittern)
9. Einen Freund haben, ein Freund sein
In dieser Meta-Analyse wurden 148 Studien mit insgesamt 308 849 Teilnehmern bezüglich der Beziehung zwischen sozialen Verbindungen (quantitativ und qualitativ) und Langlebigkeit überprüft (Holt-Lunstad et al., 2010). Die Ergebnisse sollten uns alle nachdenklich stimmen:
Menschen mit stärkeren sozialen Beziehungen haben eine 50% höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. (Zitat twittern)
Die Erkenntnisse waren unabhängig von Alter, Geschlecht, initialem Gesundheitszustand oder der Todesursache. Es zeigt sich erneut, dass andere Menschen für uns wichtig sind (Zitat twittern).
Nicht nur für die eigene Langlebigkeit.
10. Und wenn sie nicht gestorben sind…
Und zum Schluss widerlegen deutsche Daten eine viel zitierte Theorie: Aus den Ergebnissen des sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer ambitionierten, seit 1984 andauernden Langzeitstudie über die Lebenszufriedenheit der Deutschen, geht hervor, dass die Happiness-Set-Point-Theorie (Lyubomirsky et al., 2005) falsch ist.
Nach dieser haben Menschen ein spezifisches, genetisch vorgegebenes Happiness-Level, das sich temporär durch Lebensereignisse heben oder senken kann, nicht aber in dauerhafter Weise. Wir fielen nämlich beharrlich zurück auf unser charakteristisches Happiness-Level und so könnte uns selbst der pfiffigste positive Psychologe der Welt nicht helfen.
Nach dem SOEP kann dieses Level verändert werden. Und zwar durch Faktoren wie einen emotional stabilen (Ehe-)Partner, das Priorisieren von altruistischen und/oder Familienzielen, dem Besuch der Kirche und einer guten Work-Life-Balance.
Die Daten des SOEP zeigen insofern, dass psycho-soziale Faktoren wesentlich wichtiger sind als biologische, wenn es um unser Wohlbefinden geht.
Eine schöne Aussicht, finden Sie nicht?
Foto: Fotolia
Literatur
Bloom, P. (2010, May 3). The moral life of babies. New York Times Magazine.
Dunn, E. W., Aknin, L. B., & Norton, M. I. (2008). Spending money on others promotes happiness. Science, 319(5870), 1687-1688.
Hamlin, J. K., Wynn, K., Bloom, P. (2007). Social evaluation in preverbal infants. Nature, 450, 557-559.
Fowler, J. H., & Christakis, N. A. (2008). Dynamic spread of happiness in a large social network: longitudinal analysis over 20 years in the Framingham Heart Study. BMJ (Clinical Research Ed.), 337, a2338.
Froh, J. J., Bono, G., & Emmons, R. (2010). Being grateful is beyond good manners: Gratitude and motivation to contribute to society among early adolescents. Motivation and Emotion, 34, 144-157.
Holt-Lunstad J., Smith, T. B., & Layton, J. B. (2010) Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. PLoS Med 7(7): e1000316.
Kraus, M. W., Côté, S., & Keltner, D. (2010). Social class, contextualism, and empathic accuracy. Psychological Science, 21, 1716-1723.
Lyubomirsky, S., Sheldon, K., & Schkade, D. (2005). Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change. Review of General Psychology, 9(2), 111-131.
Quoidbach, J., Dunn, E. W., Petrides, K. V., & Mikolajczak, M. (2010). Money giveth, money taketh away: The dual effect of wealth on happiness. Psychological Science.
San Francisco State University. (2009). Buying Experiences, Not Possessions, Leads To Greater Happiness. ScienceDaily.
Seligman, M. E., Steen, T. A., Park, N., & Peterson, C. (2005). Positive psychology progress: empirical validation of interventions. American psychologist, 60(5), 410.
Lieber Michael,
ich teile deinen Optimismus.
Es ist immer wieder schön zu lesen, welche Erkenntnisse es schon gibt und ich glaube, wir können auch noch auf viele weitere spannende Ergebnisse hoffen.
Die Positive Psychologie hat damit das Potenzial nicht nur unsere persönlichen Leben zu verbessern sondern auch die Medizin, die Arbeitswelt, die Politik und die Psychotherapie zu revolutionieren.
Man darf gespannt sein.
Liebe Grüße,
Katharina