Die Frage, ob man seine eigene Hochzeit feiert, warum man das tut oder was das alles für Konsequenzen hat, ist -auch in Bezug auf das Feld der Positiven Psychologie – eine der interessantesten Fragen. Denn schließlich geht es beim Heiraten ja um Wachstum, oder?

Ich gebe zu, dass ich das nicht immer gedacht habe. Aus gegebenem Anlass möchte ich darauf genauer eingehen und verraten, was eine Hochzeit bzw. eine Ehe aus meiner Sicht mit Positiver Psychologie und damit untrennbar mit Wachstum zu tun hat.

Wenn Sie mir kurz folgen wollen…

Ehe – ein aha-Moment

“Ehe” ist von der altfriesischen Bezeichnung e für “Fluss” oder “Wasser” abgeleitet. Es bezeichnet ein fließendes, kleines Gewässer und ist ebenfalls mit dem althochdeutschen Wort aha verwandt. Und dieses gehört zu einem meiner liebsten Effekte, dem aha-Effekt.

Als aha-Effekt ist Ehe für mich eine beidseitig goldene Medaille: die eine Seite birgt Schutz und Beständigkeit durch einen mir ans Herz gewachsenen und zu einer Stütze gewordenen Menschen. Die andere Seite der Medaille ist ein Fluss an Bewegung und stetiger Veränderung.

Spannend ist in meinen Augen aber nicht nur der Zustand des Verheiratet-Seins, sondern gerade der Weg dorthin. Eine Hochzeit und die Vorbereitungen dazu sind immer auch ein Abgleich.

  • zwischen dem, was man glaubt und dem, was ist
  • zwischen dem, was man gut findet und dem, was man gerne anders hätte
  • zwischen dem, was war und dem, was sein soll
  • zwischen Beständigkeit und Fluss

Eine Hochzeit ist auch ein Grenzen-Ziehen. Aus finanziellen Gründen, weil jeder Gast Hunger hat. Aus emotionalen Gründen, weil nicht jeder Bekannte oder Freund aus der Vergangenheit teilnehmen kann. Aus rationalen Gründen, weil auf einer Hochzeit nur so viel schaffen kann.

Man überlegt, wen man zu einer Hochzeit einlädt, warum man eigentlich mit diesem oder jenem keinen Kontakt hat und ob man das nicht ändern möchte. Und wenn nicht, warum nicht?

Aber wo zieht man Grenzen?

Man überlegt, was man anzieht, wo man feiert und was man zu Essen reicht. Man wählt zwischen Platin und Gold, zwischen weiß und farbig, zwischen klein und groß. Man schaut sich an, was üblich ist, was immer schon so war oder noch nie getan wurde, liest Zitate über das Heiraten (die übrigens zu 90% negativ sind und Ehe und Hochzeit verteufeln) und wird übermannt von Möglichkeiten.

Und manchmal fragt man sich: Um was geht es eigentlich?

Ich glaube, um was es wirklich geht, sind Werte.

Werte – Grenzpfeiler und Richtschnur

Es geht um meiner Ansicht nach um Liebe zu einer Person, zu einem Kreis von Personen – aufgrund von verbindenden Gemeinsamkeiten oder faszinierenden Unterschieden.

Es geht um all das, was uns tief in unserem Herzen leidenschaftlich bewegt, bei dem wir uns im Einklang mit uns selbst befinden.

Um all das, was uns antreibt und jeden Tag von Neuem mit Mut und Zuversicht beginnen lässt und ohne das wir nicht im Fluss wären, sondern wie ein trockenes Flussbett in der Landschaft lägen.

Es geht um Identität und Identifikation, um all das, was wir sein oder darstellen wollen und was uns noch wichtig ist, wenn wir mit 80 in unserem Schaukelstuhl sitzen und auf unser volles, reichhaltiges Leben zurück blicken.

Es geht um Selbstfindung, Wahrheit und das Eingestehen von Dingen, die man sein Leben lang auf die eine oder andere Art und Weise erfolgreich von sich weggedrückt hat, “weil man noch nicht so weit war”.

Und es geht nicht nur um die eigenen Werte, sondern speziell um die der Person, die neben einem steht, einen anschaut und die Hand reicht.

Dazu später noch zwei gewichtige Wörter mehr.

Wachstum – Erwachsen kann man nicht sein

Eine “Angst“ vor dem Heiraten war für mich lange Zeit die vor dem Erwachsen-Sein. Das Kind in mir zu verlieren und an den Erwachsenen abzugeben, war für mich eine unangenehme, ungewollte Vorstellung.

Doch wie ein Fluss manchmal wächst und sich andere Male zurückzieht, wird auch die “Zeit als Mann und Frau” Zeiten mit Wachstum und mit Zurückgezogenheit haben. Das scheint mir natürlich und wichtig, denn Ruhe und Kraft aus sich selbst mit in die liebevolle Partnerschaft zu bringen schafft mehr als die Summe seiner Teile.

Ein Erwachsen ist somit nicht mit einem Schalter verbunden, den man von 0 auf 100 legt und dann erwachsen ist, sondern ein stetiger Prozess der Veränderung, den man selbst in der Hand hat und bewusst verfolgen kann.

Die Kombination aus dem, was jeder Mensch dazu bereits mitbringt und dem, was er mit anderen Menschen daraus macht, ist unwahrscheinlich viel größer und vielfältiger als das, was man alleine für sich erwachsen lassen könnte.

Ich hatte und habe das Glück, aus einer geschützten und liebevollen Kindheit erwachsen zu sein. Zudem ist ein Großteil der Menschen noch um mich, der mit mir bereits einen weiten Weg gegangen, ein gutes Stück Wasser im Fluss des Lebens geschwommen ist, manchmal mit mir zusammen Wasser geschluckt hat.

Einige von ihnen haben aufgrund des Wassers schon eine schrumpelige Haut, doch scheint es ihnen nichts auszumachen, weil sie es als Erfrischung sehen.

Sie alle helfen täglich beim Wachsen. Mit Impulsen, ehrlichen und teilweise harten Worten, unterstützenden Ratschlägen, einem offenen Ohr.

Und ich bin mir sicher, dass jeder von Ihnen solche Menschen kennt und an seiner Seite hat.
Manche von ihnen ziehen sich oft zurück und winken vom Ufer des Flusses.
Andere treiben faul auf einer Luftmatratze in der Nähe und verstehen nicht, wie wir uns abrackern und den Kopf über Wasser halten wollen.
Wiederum andere sind wie die Fische im Wasser in ihrem Element und lassen uns staunen, was noch alles möglich ist.

Menschen sind das Wasser für unser Wachstum, ohne das wir nie dort hingewachsen wären.

Heißt Hochzeit auch Selbstentwicklung?

Der größte Raum der Welt ist der Raum für Selbstentwicklung.

Eine Ehe ist in diesem Sinne wie eine Pflanze, die einmal ohne große Ansprüche aus einem Samen entsprang. Sie wächst nicht von alleine, sondern benötigt Pflege. Sie will gegossen werden, braucht Licht und Schatten und zeigt sich dann von ihrer schönsten Seite.

Bäume als größte Pflanzen sind als Wald stark und halten zusammen. Selbst, wenn ein Baum nur noch ein Bündel von trockenen und alleine leicht brechenden Zweigen ist – der Zusammenhalt der Zweige lässt das Bündel unbiegsam und stabil werden.

Was mich zu meinem dritten wichtigen Punkt führt.

Zusammenhalt – glücklich macht, andere glücklich zu machen

Wenn ich mir meine und die Ehe anderer Freunde anschaue, hat eines am meisten für Wachstum gesorgt: der Teamgedanke. Das zusammen-nach-vorne-Schauen ist etwas, das nicht nur Sicherheit bietet, sondern auch den Mut für Neues in sich trägt.

Dieser Gedanke ist nicht ausschließlich in einer Ehe von essentiellem Wert und bildet – so glaube ich zumindest – die Basis für Großes. Der Gedanke des Gemeinsamen steckt in jeder Beziehung zu einem anderen Menschen. Sogar in uns selbst, mit all den verschiedenen Teilen, die in uns hausen und uns auf Trab halten.

Zurück zu den angesprochenen zwei gewichtigen Worten: Eine Freundschaft, eine Partnerschaft, eine Ehe – sie alle sind immer ein Schritt in Richtung zusammen. Und wenn man Umfragen zum Thema Glücklichsein und dessen Gründe betrachtet, dann gibt es dafür eine einhellige Antwort aus zwei Worten:

andere Menschen

Starke Bindungen sind wichtiger als all das, was Gold ist und glänzt, was uns von außen als wichtig verkauft und angepriesen wird.

Andere Menschen glücklich zu machen, macht selber glücklich.
Selber glücklich zu sein, macht die glücklich, denen man wichtig ist.

Wer macht Sie dadurch glücklich, dass Sie ihn oder sie glücklich machen?

Foto: Ole O’Brian