Jedes Jahr schließen Tausende von Menschen zum Neujahrstag einen Vertrag mit sich ab und möchten mit einer Gewohnheit anfangen. Oder aufhören. Und jedes Jahr dauert es keine Woche, bis dieser Vorsatz scheitert.

Warum eigentlich?

Hinterher waren die guten Vorsätze meist schlechte Konzepte.
–Heinz Körber

In meinem Review über das Programm für Gewohnheiten von den drei Autoren Leo Babauta, Barrie Davenport und Katie Tallo habe ich detailliert über das berichtet, was zahlreiche Menschen in der ganzen Welt beschäftigt. Und teilweise verrückt macht: die Schwierigkeit, sich etwas an- oder abzugewöhnen. In diesem Artikel werde ich zusammenfassen, was als Essenz aus dem Programm und vielen Artikeln über das Thema Gewohnheiten übrig bleibt.

Die Fallstricke. Die Hindernisse. Die Blockaden.

Die Gründe, warum die meisten Menschen scheitern, wenn es um Vorsätze, Ziele oder Gewohnheiten geht, liegen im Unwissen über deren Funktionieren. Hürden nicht zu kennen, macht das Erlernen oder Formen einer neuen Gewohnheit schwierig und endet oft in Frust und Enttäuschung über sich und die eigenen Fähigkeiten.

Hier sind neun Gründe, warum viele Menschen scheitern, sich gute Gewohnheiten anzueignen:

1. Wir unterschätzen die Schwierigkeit der Bildung von neuen Gewohnheiten

Dafür überschätzen wir gerne unsere Ressourcen: unsere Fähigkeiten in diesem oft unbewussten Feld, unsere Energie und die Zeit, die wir zur Verfügung haben, um ein Verhalten zu wiederholen und zu einer Gewohnheit werden zu lassen. Wir tendieren dazu, vermeintlich einfache Dinge nicht zu Ende zu denken.

2. Wir wollen mehrere Gewohnheiten zusammen erlernen und formen – weil es vermeintlich schneller geht

Ob es der Wunsch ist, alles im Leben zu machen. Oder noch nicht Gemachtes aufzuholen. Oder sich nicht mit dem normalen Tempo abgeben zu wollen, dass für den Aufbau einer Gewohnheit nötig ist — gleich mehrere Gewohnheiten anzupacken, macht die Sache umso schwieriger, je mehr wir schaffen wollen.

Auf eine Gewohnheit zu fokussieren, ist der Schlüssel und die Essenz des Gewohnheitenlernens deshalb: Geduldig sein und sich Zeit nehmen. Und zwar – je nach Schwierigkeitsgrad der Gewohnheit – mindestens 30 Tage, um diese neue Routine, diese neue Angewohnheit festzutreten. Es gibt hier keine Abkürzung.

Mehr dazu im Artikel über Selbstkontrolle.

3. Wir fokussieren auf die Ergebnisse, nicht auf die Gewohnheit

Für den „Habit-Profi“ Scott H. Young ist dieses Vermischen von Gewohnheit und daraus resultierenden Ergebnissen das Hauptproblem für den Gewohnheitsprozess. Und es ist bei vielen von uns selbst eine Gewohnheit: wir betrachten nicht den Prozess (das Angewöhnen), sondern schielen auf das Ergebnis, das wir uns durch diese Gewohnheit wünschen.

Das ist prinzipiell gut, denn Visualisierung ist eines der stärksten Mittel, den Geist auf das noch Kommende vorzubereiten und Gewohnheiten zu bahnen. Trotzdem birgt es erneut den Fallstrick der Ungeduld und folglich der Ablenkung.

„Du machst nur fünf Minuten Lauftraining?!“ mag jemand erwidern, der von der neuen Gewohnheit des Joggens hört. „Alleine der Aufwand zum Loslaufen ist viel zu hoch. Da brauchst du gar nicht erst loslaufen…“

Natürlich sieht es anfangs nach nicht viel aus. Von außen schon gar nicht. Mit 30 Minuten Bewegen anzufangen, ist aber keine leichte Aufgabe. Insbesondere, wenn vorher das höchste aller Bewegungsgefühle das Treppensteigen in die eigene Erdgeschosswohnung war…

Die 5-Minuten-Regel

Und hier kommt die 5-Minuten-Regel ins Spiel: Es ist verdammt schwer, die meisten Gewohnheiten nicht für fünf Minuten regelmäßig zu absolvieren (Handstand, Kopfstand und Luftanhalten mal außen vor gelassen ;). 5 Minuten reichen bei täglicher(!) Anwendung jedoch aus, um eine Gewohnheit aufzubauen – und dann die Dauer oder Anstrengung Schritt für Schritt zu erhöhen.

4. Wir unterschätzen die Vorbereitung und unsere Fähigkeit, Ausreden zu finden

Joggen zum Beispiel bringt von sich aus Schwierigkeiten mit. Der innere Schweinehund läuft nicht gerne bei Regen oder sengender Hitze – und hat noch eine Vielzahl anderer Ausreden parat. Das führt zu negativen Selbstgesprächen und Gedanken. Wir rechtfertigen, warum wir heute nun wirklich nicht loslaufen müssen. Oder warum wir es nicht können.

Dieser treffende englische Werbespot mit Matt Scott zeigt ein paar der beliebtesten Ausreden.

Deshalb heißt es, die Hürden im Voraus abzuschätzen und sich Lösungen zu überlegen. Schuhe und Laufsachen am Abend raus, gute Musik in den mp3-Player (Akku checken!), Duschzeug und frische Wäsche ins Bad legen.

Je weniger Schritte zur wirklichen Ausführung nötig sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir etwas tun und keiner Ausrede nachgeben. Vorbereitung ist hier der Schlüssel.

Und dazu gehört natürlich auch, möglichst alle Versuchungen aus dem Weg zu räumen, die beim oder vor dem Ausführen der Gewohnheit in die Quere kommen könnten (z.B. erst gar keine Zigaretten oder Süßigkeiten einzukaufen).

5. Wir planen keine Unterbrechungen der Routine ein

Genauso, wie niemand beim Kauf seines neuen Autos die Zeit einkalkuliert, die er damit noch im Stau stehen wird, vergessen wir oft, Unterbrechungen und Aussetzer beim Aufbau unserer Gewohnheiten einzurechnen.

Krankheit, Reisen, Überstunden im Job oder Familienprobleme lassen eine Gewohnheit plötzlich unwichtig aussehen und stellen sich uns in den Weg. Das ist normal und nicht wert, sich ob der Unterbrechung schlecht zu machen. Weil wir es nicht verhindern können.

Aus diesem Grund sind Antizipation und vorher überlegte Alternativen wichtig.

6. Uns fehlt die Hingabe und das Commitment – ganz oder gar nicht

Machen Sie ein großes Ding aus Ihrer Gewohnheit. Twittern Sie darüber, erzählen Sie es Ihren Facebook-Freunden. Oder gerne auch denen in der „Welt zum Anfassen“. Das ist noch wirksamer, denn ein „Kumpel“, der von Ihrem Vorhaben weiß, wird sich ab und an melden und fragen, wie es voran geht. Und den will man natürlich nicht enttäuschen.

Alles, was wir uns ernsthaft in unserem Leben vornehmen, gelingt. Aber was nehmen wir uns schon ernsthaft vor?
–Gregor Brand

Stellen Sie sich vor, Sie sagen an, dass jeder Ihrer zweifelnden Kollegen 100 Euro von Ihnen bekommt, wenn Sie scheitern.

Denken Sie jetzt, dass Ihnen das alles so wichtig auch wieder nicht ist? Dann überlegen Sie sich, ob es die richtige Gewohnheit ist, die Sie anpacken wollen.

Sollten Sie nicht vor der 100-Euro-Ansage zurückschrecken, ist Ihnen mit Sicherheit bewusst, warum das so ist. Sie haben einen starken Grund, warum genau diese Gewohnheit es wert ist, erlernt zu werden.

7. Wir verknüpfen die Gewohnheit nicht mit einem Auslöser, der bereits in unserem Alltag vorkommt

Durch das Verknüpfen eines Verhaltens mit einem sogenannten „Trigger“ wird dieses Verhalten stärker und mit größerer Sicherheit ausgeführt. Es ist essentiell, dass der Auslösereiz bereits in unserer täglichen Routine vorkommt und nicht zusätzlich erlernt werden muss. Regelmäßigkeit ist hierbei sehr wichtig.

Hier sind Auslöser, denen die meisten von uns täglich begegnen und die wir uns zunutze machen können:

  • aufwachen und aufstehen
  • Zähneputzen
  • waschen, duschen
  • an- und ausziehen
  • zur Arbeit fahren
  • ins Büro kommen und aus dem Büro gehen
  • nach Hause fahren
  • ins Bett gehen

8. Wir begreifen nicht, wie wichtig positives und negatives Feedback ist

Ein System zu erstellen, das sowohl Eigenverantwortung und Belohnung herstellt, ist essentiell für den Erfolg der Bildung einer Gewohnheit.

Eigenverantwortung baut eine motivierende Spannung auf, die uns vorantreibt. Sogar, wenn die Zeiten schwierig sind.

Belohnung bietet die positive Verstärkung und das gute Gefühl, dass den Aufwand lohnenswert macht.

Viele Menschen gewöhnen sich etwas an, das sie nicht mögen. Sie quälen sich zur Gewohnheit. Am leichtesten zu erlernen sind deshalb die Gewohnheiten, die bereits positives Feedback eingebaut haben. Weil sie Ihnen Spaß machen. Das Schöne ist, dass Vieles, was anfangs noch nicht gewohnt ist, nach kurzer Zeit nicht mehr anstrengend ist (weil gewohnt) und anfängt, Freude zu bereiten.

9. Wir sehen Müdigkeit als harmloser an, als sie ist

Die letzte Hürde ist meiner Erfahrung nach eine der tückischsten. Warum? Weil sie viele der vorherigen Punkte wahrscheinlicher macht.

Wenn ich müde bin, ist meine Laune schlechter als normal, ich bin angriffslustiger, fühle mich unwohler (weil geistig nicht auf der Höhe) und meine Merkfähigkeit sinkt. Müdigkeit macht es mir zudem schwerer, fokussiert zu bleiben und mich diszipliniert nach Auslösern zu richten. Nicht zuletzt mindert sie die Lust, anderes zu tun als ins Bett zu gehen und den Schlaf (als grundlegendes Bedürfnis) nachzuholen.

Das Glück, wenn es mir recht ist, liegt in zweierlei: Darin, daß man ganz da steht, wo man hingehört, und zum Zweiten und Besten in einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen, also darin, daß man ausgeschlafen hat, und daß einen die neuen Stiefel nicht drücken.
–Theodor Fontane

Foto: proimos