Was hat eine Mitfahrgelegenheit mit Positiver Psychologie zu tun? Diese Frage stellte mir Marei Martens, Communications Manager und wissbegierige, ideenreiche Ansprechpartnerin bei BlaBlaCar Hamburg.

Ridesharing und Positive Psychologie?

blablacar Vortrag über Ridesharing und Happiness - Mitfahrgelegenheit zum GlückDie Überraschung, die mir Marei durch ihren Anruf und den Impuls bescherte, nahm ich gerne auf. Ich überlegte für einen Impulsvortrag in Hamburg, was die Positive Psychologie eigentlich zum Thema Mitfahrgelegenheit zu bieten hat. Und es ist eine Menge, wie sich herausstellen sollte.

Mit einer handverlesenen und engagierten Truppe von digital affinen Leuten durfte ich in den Austausch über die anfangs gar nicht so offensichtlichen Benefits des Mitfahrens gehen.

Wie kann Happiness durch eine Mitfahrgelegenheit gesteigert werden?

Für jene von Ihnen, die „Was Wäre Wenn“ etwas aufmerksamer verfolgen, ist es kein Geheimnis mehr: „Other people matter„. Dieses berühmte Zitat von Chris Peterson beschreibt, was auch in etwas ausführlicherer Form für den Kontext einer Mitfahrgelegenheit zutrifft:

„It is in the company of others that we often experience pleasure and certainly how we best savor its aftermath.“
–-Chris Peterson

Nicht nur erfahren wir in Gegenwart anderer häufig Freude. Viele Highlights in unserem Leben sind die Ereignisse, bei denen andere bei uns waren – Partner, Freunde, Familie, die liebsten Kollegen. Diese tollen Erfahrungen auszukosten funktioniert – so Chris Peterson – mit diesen Menschen oft ebenfalls am besten. Geteiltes Leid, halbes Leid. Geteilte Freude, doppelte Freude.

Was haben damit aber nun Fremde Menschen zu tun, mit denen wir häufig für mehrere Stunden ausgeliefert auf engem Raum sitzen?

Hier drei Ideen, die sich sowohl mit wissenschaftlichen Belegen aus der Positiven Psychologie decken als auch mit meinen eigenen langjährigen Erfahrungen des Mitfahrens und Mitnehmens.

1. Soziale Netzwerke und Support

Wie schnell wir oft sogar zu fremden Menschen persönliche und tiefgehende Beziehungen eingehen können, zeigt nicht zuletzt das von BlaBlaCar eigens durchgeführte Experiment: Eine Mitfahrgelegenheit wird durch vier Stühle simuliert. Jeder „Mitfahrer“ ist drei Stunden lang mit drei anderen in diesem Raum zusammen. Wie verhalten sich diese Menschen?

Nicht überraschend entsteht viel Intimität. Und diese ertraulichen Momente entstehen im Handumdrehen, u. a. weil wir…

  • soziale Wesen sind, uns eher mitteilen möchten als still dabeisitzen („coole Schuhe“ bei 0:21 im Video) und Austausch brauchen,
  • über unsere Erfahrungen Feedback oder Anerkennung benötigen,
  • neugierig sind („hast du deine Eltern so nicht um Erlaubnis gefragt?“ bei 0:47 im Video), was und warum andere etwas beruflich oder privat machen und das mit uns selbst vergleichen,
  • Hilfe und Unterstützung bei anderen zu unseren Problemen suchen und manchmal auch einfach nur…
  • weil wir gerne miteinander lachen und diese Herausforderungen dadurch für einen Moment vergessen oder in einem anderen Licht sehen können.

Laut Kristin Neff (2003) ist eine der Hauptkomponenten von self-compassion, also dem Mitgefühl gegenüber uns selbst, die gemeinsame Menschlichkeit. Die eigenen Erfahrungen nicht als isoliert zu betrachten, sondern als Teil einer größeren menschlichen Erfahrung zu sehen (denn alle Menschen gehen früher oder später durch ähnliche Täler und Abgründe). Das verbindet, auch und insbesondere in einem Auto.

2. Viel Raum für Dankbarkeit

Auf wenigen Quadratmetern hat man dennoch viel Raum für Dankbarkeit, laut Robert Emmons (2003) eine der Megastrategien für unser eigenes Glücksgefühl.

Im Kontext der Mitfahrgelegenheit kann das die Dankbarkeit über das gesparte Geld sein, das zu Zeiten hoher Benzin- und Bahnpreise dann für andere Dinge ausgegeben werden kann.

Auch der eigene Beitrag zur Schonung der Umwelt kann ein Grund für Dankbarkeit sein, der nahe liegt.

Und nicht zuletzt verfliegen lange Fahrten häufig schneller, wenn man sich gut versteht, sich füreinander interessiert, miteinander lacht und sich aufeinander einlässt. Wie schön ist doch da das Gefühl, in einem Verkehrsstau nicht „unnötig“ herumgestanden zu haben, sondern dabei in guter Gesellschaft gewesen zu sein, neue Bekanntschaften und neue Erfahrungen gemacht zu haben.

3. Erfahrungen versus Besitz

Last but not least schlagen neue (positive) Erfahrungen – laut positiver Psychologie – neuen Besitz, was die Nachhaltigkeit des Glücksgefühls angeht.

Natürlich kann eine neue Handtasche oder das neue Smartphone auch eine schöne Erfahrung sein. Aber das, was letztlich zu unserem Wohlbefinden beiträgt und der Gewöhnung an das Materielle entgegengeht, sind eher die Erfahrungen, die wir durch solch einen Kauf machen. Die Möglichkeit des sozialen Austauschs mit dem neuen Handy oder die Zugehörigkeit zu einer Gruppe durch ein Modestück beispielsweise. Amit Kumar und Professor Tom Gilovich fanden zudem heraus (2015), dass es viel leichter ist, sich über Erfahrungen auszutauschen und sie mit anderen zu teilen, als das mit materiellen Gütern zu sein scheint.

Erfahrungen befriedigen hier also Bedürfnisse „höherer Ordnung“ wie die Verbundenheit mit anderen, die über das Finden von Schutz hinausgehen (auch im Auto fühlt man sich mit drei anderen Menschen ja meist geschützter als wäre man alleine unterwegs – Ausnahmen bestätigen die Regel 😉 und mehr Leben ins Auto bringt.

blablacar sketchnote ines - Mitfahrgelegenheit und Positive Psychologie

Im Nachgang

Nach dem nur 30minütigen Vortrag bei BlaBlaCar in Hamburg begann ein mehrstündiger intensiver Austausch aller. Ich hatte das Gefühl, dass nicht nur meine Augen währenddessen und danach leuchteten. Vielen Dank nochmal bei allen Besuchern des Events, die diesen Abend zu solch einem herrlich bunten Austausch für mich haben werden lassen!

Zwei Interviews sind mit diesem Abend entstanden. Das Magazin Stylight ging mit mir tiefer auf die Fragen ein, wie du mit Mitfahrgelegenheiten neue Freunde findest, das Eis auch bei stillen Mitfahrern gebrochen werden kann oder die Intensität einer solchen Ridesharing-Bekanntschaft zu einer echten Freundschaft erhöht werden könnte.

Auch mit Marei und Kolleginnen hatte ich über den Vortrag hinaus die Freude, mich über das Thema austauschen zu können. Das Ergebnis ist ein weiteres Interview, das auch ein paar handfeste Tipps zum Thema Glück parat hat.

Und, welche positiven Erfahrungen mit Mitfahrgelegenheiten haben Sie denn schon gemacht?

 

Foto: Fotolia, BlaBlaCar und Ines Schaffranek (sketchnote)

Literatur

Emmons, R. A., & McCullough, M. E. (2003). Counting blessings versus burdens: An experimental investigation of gratitude and subjective well-being in daily life. Journal of Personality and Social Psychology, 84(2), 377–389.

Kumar, A., & Gilovich, T. (2015). Some “Thing” to Talk About? Differential Story Utility From Experiential and Material Purchases. Personality and Social Psychology Bulletin, 41(10), 1320–1331.

Neff, K. (2003). Self-Compassion: An Alternative Conceptualization of a Healthy Attitude Toward Oneself. Self and Identity, 2(2), 85–101.