Wir vergleichen uns jeden Tag bewusst oder unbewusst mit anderen. Mit ihren Taten, mit ihrem Besitz, mit ihren Fähigkeiten. Doch was bringt uns das? Was hat es für einen Sinn, sich ständig darüber den Kopf zu zerbrechen, wer besser ist als Sie?

Wenn du dich mit anderen vergleichst, könntest du bitter werden und dir nichtig vorkommen; denn immer wird es jemand geben, größer und geringer als du.
–Joseph Joubert

Es ist wichtig zu wissen, wo die eigenen Stärken liegen, wo der eigene Selbst-Wert ist. Nicht nur für die Wissenschaften der Positiven Psychologie, sondern ebenso in vielen anderen (Lebens)Bereichen. Das Bewusstsein eigener Stärken ist einer der Kernpunkte für Erfolg, denn ohne diese Fähigkeit wären Sie unmotiviert und hätten Schwierigkeiten, an sich glauben.

Warum vergleichen wir uns mit anderen?

Unterschiede schaffen Information. Die meisten von uns vergleichen sich täglich. Schon der Psychologe Leon Festinger hat sich über die Gründe den Kopf zerbrochen und in seiner Theorie des sozialen Vergleichs ein paar wichtige Gründe dafür festgehalten:

  1. Wir vergleichen uns (oft auch mit den leider nicht so objektiven Medien), weil wir Informationen über uns und unsere derzeitige Situation benötigen.
  2. Wir vergleichen uns mit Menschen, die im interessierenden Merkmal unterlegen sind (der sogenannte Abwärtsvergleich), wenn unser Selbstwertgefühl erhöht werden oder zumindest gleich bleiben soll.
  3. Wir vergleichen uns mit Menschen, die im interessierenden Merkmal überlegen sind, wenn wir uns verbessern und nach Möglichkeiten suchen möchten, wie wir das anstellen (Aufwärtsvergleich).

Wir haben also das Bedürfnis, uns in unsere Welt einzuordnen und uns durch Vergleiche mit anderen ein möglichst gutes Bild davon zu machen. Häufig fehlt uns dazu aber der objektive Maßstab.

Woher kann ich – wie in meinem obigen Beispiel – wissen, wie viel Zeit und Mühe ein Maler in seine Fähigkeit gesteckt hat? Objektiv vergleichbar sind unsere Fähigkeiten in diesem Fall wahrscheinlich nicht.

Wir sind aber motiviert, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern (zumindest wären Sie sonst nicht auf meinem Blog gelandet ;-). Die besten (objektiven) Informationen brächte Ihnen also ein Vergleich mit Personen, die ähnlich aufgewachsen sind wie Sie, ähnliche Fähigkeiten und Fertigkeiten hätten, eine ähnliche Meinung über die Welt, möglichst ähnliche aktuelle Lebensumstände.

Diskrepanzen, die trotz vieler Ähnlichkeiten bei uns vergleichbaren Menschen bestehen, versuchen wir zu reduzieren. Entweder durch Anpassung an diese Personen (leichter z.B. bei jenen, die wir bewundern und respektieren) oder durch den Versuch, sie von unserer Meinung zu überzeugen.

Der Mann, der nicht schreiben konnte und trotzdem veröffentlichte

Ich verglich mich früher z.B. vielfach mit Menschen, die ebenfalls schrieben. Ein Bekannter von mir, der damals oft in Schreibgruppen und -treffen mit mir zusammen über Charaktere, Plots und gute Ideen diskutierte, war in meinen Augen stets “hinter mir”, was seine Fähigkeiten anging. Und auch, was seine in diesen Gruppen entstandenen Geschichten betraf. Das hat sich für mich gut angefühlt und meinem eigenen Selbstwertgefühl bei jedem dieser Treffen gut getan.

Bis er seinen ersten Roman veröffentlichte.

Meine (Schreib)Welt war daraufhin für geraume Zeit zerstört. Wie konnte jemand wie er ein Buch veröffentlichen, der meiner Meinung nach gar nicht schreiben konnte?

Ganz “einfach”: er verfolgte das Ziel der Buchveröffentlichung stringent, suchte sich eine Zielgruppe für seinen Stil und seine Inhalte und blieb dran! Und nur, weil meine Meinung von seinen Fähigkeiten eine weniger gute war, hinkte mein Vergleich, weil er mir so gesehen nicht ähnlich war. Er war disziplinierter, er verfolgte das Ziel der Veröffentlichung ernsthaft, er hatte durch seinen Job viele Verbindungen zu Verlagen, Lektoren und anderen wichtigen Quellen.

Natürlich sah ich das damals anders. Ich verglich alleine, was ich in den privaten Treffen von ihm sah und hielt es gegen meine eigenen Inhalte.

Nichts ist besser oder schlechter, nur anders.
–Oliver Buss

Damals redete ich mir ein, dass er seine “fehlenden Schreibfähigkeiten” mit Vitamin B ausgeglichen hatte. Heute – nach einem steinigen Weg mit viel Neid – gönne ich ihm den Erfolg und respektiere die Arbeit, die er in seinen Roman gesteckt hat und die ich damals nicht wahrgenommen habe. Mein Groll gegen ihn und viel mehr noch mein Groll gegen mich selbst (für fehlende Disziplin und fehlende Ernsthaftigkeit bei dem Verfolgen des gleichen Ziels) sind verflogen.

10 Wege, sich nicht mit anderen zu vergleichen

Selbst, wenn Sie Stärken mit Stärken vergleichen, wird es jemanden geben, der besser ist als Sie, wie Joseph Joubert anfangs bereits so schön beschrieb. Sogar, wenn Sie bei diesem Vergleich gut abschneiden, wird das nur ein Erfolg von kurzer Dauer sein. Oder haben Sie die Erfahrung gemacht, lange von diesen “Gewinnen” zehren zu können, ohne sich den nächsten sozialen Vergleich zu suchen?

Wie können Sie es schaffen, diese ungesunde Gewohnheit abzulegen, sich mit anderen zu vergleichen? Hier sind einige Tipps, die ich als sehr nützlich empfunden habe:

  1. Bewusstsein. Vorwiegend vergleichen wir uns mit anderen, ohne das zu realisieren. Es ist ein Automatismus, der uns bereits in der Schule durch Klausuren und Tests begleitet und durch die häufig hohen Erwartungen anderer an uns nicht unbedingt schwächer wird.Auch die Lösung für diese Gewohnheit liegt in der Aufmerksamkeit ihr gegenüber. Halten Sie Ausschau nach diesen vergleichenden Situationen und Sie werden nach ein paar Tagen Fokus bemerken, wie es Ihnen leichter fällt, diese zu erkennen.
  2. Einhalten. Wann immer Sie diese Situationen dann erkennen, halten Sie ein. Geben Sie sich ein inneres “Stop!”. Ärgern Sie sich nicht um den Vergleich, sondern freuen Sie sich darüber, dass Sie ihn erkannt haben.
  3. Grund erforschen. Fragen Sie sich in einer ruhigen Minute nach diesem “Stop!”, was diesen Vergleich heraufbeschworen hat. Brauchten Sie einen Schub Bestätigung? Fehlte Ihnen Zuneigung? Oder ein Erfolgserlebnis? Oder vielleicht ein wenig Dankbarkeit oder Wertschätzung über das, was Sie getan haben?Je ehrlicher Sie mit sich sind, desto einfacher lassen sich Alternativen für diese Vergleiche finden.
  4. Gönnen Sie. Anderen ihre Erfolge zu gönnen und sich mit ihnen darüber zu freuen, ist keine einfache Aufgabe. Sie werden aber bemerken, dass es viel besser ist, sich mit anderen zu freuen als ihnen Groll entgegen zu bringen. Freude tut nicht nur Ihnen gut, sondern auch dem Gegenüber. Ein positiver Kreislauf.
  5. Dankbar sein. Freuen Sie sich auch über das, was Sie können und erreicht haben und fokussieren Sie nicht bloß darauf, was Ihnen noch fehlt. Eine schöne Übung dafür ist die Was-lief-gut-Übung.
  6. Fokus auf Stärken. Anstatt auf Ihre Schwächen zu fokussieren, fragen Sie sich, was Sie gut können, was Ihnen leicht fällt, woran Sie Spaß haben. Zelebrieren Sie Ihre Stärken! Seien Sie stolz darauf! Bauen Sie sie auf und aus und setzen Sie diese Stärken ein, wo Sie können. Unterschätzen Sie nie die Kraft und Energie, die durch das Ausleben Ihrer Stärken entsteht!
  7. Vergleichen Sie sich mit sich. Weiter zu kommen im Leben und nicht auf der Stelle stehen zu bleiben, gehört zu unseren Bedürfnissen. Schauen Sie aber dabei auf sich, denn Sie sind der beste und vergleichbarste Vergleich, den es gibt.
  8. Reise, nicht Hierarchie. Stellen Sie sich diesen Verbesserungsprozess als Weg vor, nicht als Hierarchie, als “gut” oder “schlecht”. Schauen Sie auf das, was Sie bisher geschafft haben. Vergleichen Sie sich mit einem alten Ich von Ihnen und blicken Sie auf das, was anders ist als vorher und ob Sie damit zufrieden sind.Eine gute Übung dazu ist ein Erfolgstagebuch, in das Sie alles aufnehmen, was Ihnen gut gelungen ist, was Ihnen ein schönes Gefühl beschert oder anderen durch Sie geholfen hat.
  9. Akzeptieren Sie Unvollkommenheit. Niemand ist perfekt. Intellektuell verstehen wir das alle, emotional ist das eine andere Geschichte. In etwas perfekt zu sein, ist so erstrebenswert wie unrealistisch. Sich zu verbessern und seine Fähigkeiten zu vergrößern und zu verbreitern, ist realistisch und tut Ihnen besser, als nicht erreichbare Ziele zu verfolgen, die zum Scheitern verurteilt sind.
  10. Niemanden schlecht machen. Der griechische Volksmund sagt: “Man muss nicht das Licht des anderen ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen.” Wie in Wie man glaubwürdig wird wie der Dalai Lama beschrieben, ist es wissenschaftlich erwiesen, (das Phänomen der “spontanen Merkmalsrückschlüsse”, spontaneous trait transference), dass Menschen verstärkt mit den Merkmalen wahrgenommen werden, mit denen sie eine andere Person beschreiben. Jemanden schlecht zu machen, ist langfristig gesehen eine Sackgasse. Gönnen Sie hingegen (Punkt 4), wird Ihnen dieses Wohlgefühl auch von anderen Seiten entgegen kommen. Versprochen.
    Und wie hört man auf zu lästern? Mit einem lila Bändchen am Arm…!

Lieben, das heißt: Nicht mehr vergleichen.
–Bernhard Grasset

Wobei vergleichen Sie sich am häufigsten?

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