Beinahe zwei Wochen sind ins Land gezogen. Falls Sie sich überhaupt noch Vorsätze für das neue Jahr erstellen, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Zuerst aber ein Schwank zur Wortbedeutung, denn oft kann die Nutzung eines von uns häufig unbewusst genutzten Wortgebildes etwas aussagen über deren Stärke. Das sieht man bereits an der ersten Bedeutung des Wortes aus der Rechtssprache (Quelle Wiktionary, 9.1.2013), die sogar einen Schaden andeutet:
[1] Rechtssprache: willentliche Herbeiführung eines Schadens, oder billigende Inkaufnahme eines Schadens, bzw. willentliche Missachtung der Rechtsvorschriften (kein Plural)
[2] meist Plural: etwas das man sich vorgenommen hat
[3] etwas vor einer Sache
[4] (in Texten) der zuvorige Satz
Wenn man sich also ein Ziel buchstäblich vor die Nase setzt, kann das viele positive aber auch negative Auswirkungen haben. Dass wir uns aber vorsätzlich Schaden Schaden zufügen und diesen sogar noch billigen, das klingt nach reinem Selbstbetrug. Und nicht nach dem, was eigentlich mit dem Setzen von Zielen geschaffen werden sollte.
Lassen Sie mich Ihnen ein paar Fragen stellen, die mein guter Freund Ruben Loos (Gut im Empfangen – 3 Schritte zu mehr E-Mail-Gelassenheit) in einem unserer Gespräche zum Thema Leidenschaft und Zielsetzung zusammengefasst hat und die Ihnen eine Idee davon geben können, wie Sie Ihre Ziele noch schärfen können, damit sie auch länger als 2 Wochen auf Ihrer Agenda sind:
- Kennen Sie Ihr wichtigstes Ziel in jedem Lebensbereich (z.B. Familie, Job, Gesundheit, etc.)?
- Woran merken Sie jeweils, dass Sie es erreicht/verfehlt haben?
- Sind Ihre Ziele zu klein? (Würden Sie es auch erreichen, wenn Sie nichts ändern?)
- Wenn groß genug: Sind Ihnen Ihre Ziele wichtig genug, um Veränderung in Kauf zu nehmen?
- Wenn ja: Wie werden Sie diese Veränderung gestalten, damit Ihnen bereits die Vorstellung an sie gefällt?
Als ich Ruben erzählte, dass für mich das „Schlimmste“ am Zielesetzen und -einhalten das Gefühl ist, durch den Tag gehetzt und mich von den Zielen „gezwungen“ zu fühlen, gab er mir einen inspirierenden und doch so einfach Tipp: Umdeutung.
Nimm die Termine nicht als Mahner zur Disziplin sondern als Freiraum für deine Leidenschaften.
Mir für meine wichtigsten Ziele einen Freiraum zu schaffen und mich Ihnen deshalb mit der Priorität für VIP hinzugeben, fühlt sich für mich weitaus besser an. Wenn Sie diesen Gedanken auf Ihre Ziele anwenden, wie fühlt sich das dann an?
Was sagen die Statistiken?
Nach einer deutschlandweiten Forsa-Umfrage aus 2011 haben Sie statistisch gesehen eines der folgenden Ziele ganz weit oben auf Ihrer Liste:
Es liegt wahrscheinlich an der Befragung oder dieser Zusammenfassung selbst, dass die Antworten so herrlich unkonkret sind, aber genau darin liegt die Krux: je schwammiger die Ziele, desto besser vermeiden Sie Erfolg oder Misserfolg. Und eine weitere Umfrage zeigt, dass fast die Hälfte aller Befragten nach zwei bis drei Monaten bereits ihre guten Vorsätze über Bord geworfen hatten.
Ist das überraschend?
Was heißt denn „den Garten verschönern“? Heißt das Umgraben? Gänseblümchen pflanzen? Oder die 20 Steinplatten am vorderen Teil von Unkraut befreien?
Was steckt denn hinter „Mehr Sport treiben“? Morgens auch den linken Arm beim Zähneputzen belasten? Einmal täglich einen 30-minütigen Spaziergang oder den nächsten Bonn-Marathon durchhalten?
Es gibt eine Menge Tipps, wie Sie Ihre Vorsätze und insgesamt Ziele besser erreichen. Das geht von
- dem Aufschreiben Ihrer Ziele
- dem Setzen kleiner (Zwischen)Ziele
- dem Übertragen dieser in Ihren Kalender
- dem regelmäßigen Visualisieren Ihrer Ziele
- der positiven Formulierung („anfangen“, „x mehr davon“ anstelle von „aufhören mit“, „weniger davon“)
- dem Suchen Gleichgesinnter
- dem Beginnen mit einer für Sie fast lächerlichen Hürde (siehe das Beispiel für das frühzeitige Anpacken Ihrer Steuererklärung)
Alle diese Tipps sind – wie ich finde – lohnenswert und helfen, Zielen näher zu kommen. ABER: Werfen Sie weiter vorne noch einmal einen Blick auf die fünf Fragen, die Sie sich über Ihre Ziele stellen können.
Merken Sie etwas beim Lesen? Bei mir regt sich ein freudigen Gefühl in der Magengegend, wenn ich das A meiner SMARTen Ziele im Auge behalte. Also das, was Leidenschaft in mir weckt, was attraktiv ist. Und zwar nicht die externe, aufgedrückte Leidenschaft („Ich jogge, weil ich dadurch keinen Bauch bekomme und attraktiver aussehe“), sondern die intrinsische, von mir aus kommende Leidenschaft („Ich jogge, weil ich meinen Kindern dadurch höchstwahrscheinlich länger erhalten bleibe – ich liebe meine Kinder.“).
Der letzte Teil in Klammern ist natürlich kein Ziel. Aber er hilft Ihnen, Sinn hinter Ihre Ziele zu bringen.
Und wenn Sie auch mit diesen Angeboten für einen freudigeren Wechsel in ein neues Jahr noch immer keinen durchschlagenden Erfolg haben, habe ich hier noch weitere Tipps für eine höhere Wahrscheinlichkeit:
Aus dem Bereich der Umdeutung: Was, wenn Sie die „längst fällige Reparatur“ (siehe Forsa-Grafik) nicht als Muss sehen, sondern als privilegierte Möglichkeit, etwas mehr Handwerkskunst zu erlernen? Und wenn Sie Sinn suchen, dann überlegen Sie doch mal, ob Sie nur Steine aufeinander legen, oder eventuell doch an einem Dom bauen…
Disziplinhelfer: Ziele zu verfolgen (auch die sinnvollsten und schönsten) erfordert Disziplin. Disziplin ist eine begrenzte Ressource, genauso wie die Körperkraft irgendwann versagt, wenn man sie eine bestimmte Zeit beansprucht. Welche wirkungsvollen Möglichkeiten es gibt, Ihren Muskel dafür zu trainieren und zu stärken, zeigen Ihnen 12 wissenschaftlich belegte Tipps für bessere Selbstkontrolle und Disziplin.
Spaß: Auch bei den härtesten Zielen können Sie etwas finden, dass Ihnen Spaß macht. Und Spaß kommt ebenfalls oft daher, dass Sie Ihre Stärken einsetzen und dabei Freude empfinden und herstellen. Fanden Sie früher Monopoly lustig? Vielleicht finden Sie eine Verknüpfung zur Steuererklärung (damit die nicht erst gemacht wird, wenn der Postbote die erste Mahnung vorbeibringt).
Oder Sie finden es spannend, wie Sie andere (physische) Muskeln alleine mit Ihrer mentalen Kraft aufbauen können (eine hochinteressante Studie aus der Neurophysiologie folgt im nächsten Artikel)!
Gammeltag: Zuletzt noch ein Tipp für alle unter Ihnen, die sich oft am meisten über sich selbst ärgern, wenn Sie eines Ihrer Ziele mal wieder nicht erreicht haben. Richten Sie sich einen Gammeltag ein. Am Anfang vielleicht einmal im Monat, später dann seltener, machen Sie an diesem Tag mit gutem Gewissen das, worauf Sie die übrige Zeit zähneknirschend im Dienste Ihrer Ziele verzichtet haben.
Der Vorteil: es fällt Ihnen mit dem Wissen um einen Gammeltag wesentlich leichter einem Drang zu widerstehen, wenn Sie Ihrem Bedürfnis dann ohne schlechtes Gewissen bewusst nachgehen können.
Gewohnheit: Den besten und effektivsten Vorsatz, den Sie sich setzen können, ist der Aufbau einer Gewohnheit. Wie Sie am besten verhindern können, erklärt der Artikel Die 9 häufigsten Gründe, warum wir bei guten Gewohnheiten scheitern in übersichtlicher Weise.
Und? Justieren Sie noch einmal um?
Foto: Dreamstime
Literatur
Baumeister, R. F., Gailliot, M., DeWall, C. N., & Oaten, M. (2006). Self-regulation and personality: how interventions increase regulatory success, and how depletion moderates the effects of traits on behavior. Journal of personality, 74(6), 1773-801.
Fishbach, A., Zhang, Y., & Trope, Y. (2009). Counteractive evaluation: Asymmetric shifts in the implicit value of conflicting motivations. Journal of Experimental Social Psychology, 46(1), 29-38.
Klein, H., Wesson, M., Hollenbeck, J., & Alge, B. (1999). Goal commitment and the goal-setting process: Conceptual clarification and empirical synthesis. Journal of Applied Psychology, 84, 885–896.
Locke, L. A. & Latham, G. P. (2002). Building a Practically Useful Theory of Goal Setting and Task Motivation: A 35-Year Odyssey.
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