Gehören Sie zu den Menschen, die Optimisten nicht ausstehen können? Oder sind Sie eventuell schon einer?

Egal, ob Sie zu einer der beiden Kategorien gehören oder einfach nur glücklicher werden wollen – in diesem Artikel finden Sie wertvolle Hinweise dazu!

Dies ist ein Artikel aus der Serie Zum Glück – kugelsichere Übungen zur Steigerung des Wohlbefindens.

Seit einigen Jahren locken unzählige Ratgeberbücher mit dem vereinfachenden Modell des positiven Denkens. Im Gegensatz dazu setzen „positive Psychologen“ wie Martin Seligman, Sonja Lyubomirsky, Chris Peterson und Co. nicht auf den Glauben, durch Schöndenken allein die Welt zu verändern. Sie stellen die realistische Einschätzung der Dinge in Verbindung mit dem positiven Glauben an sich selbst und die Zukunft in den Vordergrund.

Doch wie kann man die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten realistisch einschätzen, wenn der Innere Kritiker ununterbrochen unsere guten Argumente zunichte macht, uns ständig in den Ohren liegt und uns unsere Erfolge klein redet?

In diesem Artikel möchte ich Ihnen aufzeigen, wie Sie eine mit Sicherheit vorhandene Fähigkeit nutzen können, sich zu streiten.

Sind Optimisten harmoniebedürftig und trotzdem streitlustig?

Im letzten Artikel habe ich Ihnen das best possible self (Ihr bestes Selbst) vorgestellt, eine der wirkungsvollsten Wege, um Optimismus aufzubauen. In diesem Artikel kam Ihnen auch die Stimme meines Inneren Kritikers entgegen.

Diese Stimme ist bei vielen stark ausgeprägt und meldet sich regelmäßig, wenn z.B. Entscheidungen anstehen. Oft mahnt die Stimme:

  • z.B. beim Kauf eines Kleides („Da passt du doch in zwei Wochen schon nicht mehr rein!“)
  • bei einer neuen Bewerbung („Die nehmen dich eh nicht. Du bist nicht qualifiziert genug. Spar‘ dir den Stress.“)
  • beim Ansprechen einer fremden Person (in der Ich-Variante: „Warum soll die mit mir reden?! Ich mach‘ mich doch lächerlich!“)

Das Schöne ist: Jeder von uns hat bereits die Fähigkeit, die uns nicht nur unseren Inneren Kritiker ernst nehmen lässt, sondern auch überzeugen kann!

Viele kritische Bemerkungen, die unsere innere Stimme von sich gibt, wollen uns schützen: Vor dem unnötigen Geldausgeben, vor der Scham, eine Absage bei einem Arbeitgeber zu bekommen, vor dem Korb der Angebeteten.

Oft sind das jedoch Annahmen, die eine verzerrte Realität als Grundlage haben.

Das Spannende: die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie diese vom Inneren Kritiker aufgebrachten Behauptungen von sich wiesen, wenn ein anderer sie Ihnen an den Kopf werfen würde!

Denken Sie an eine Person, die Ihnen nicht wohlgesonnen ist.

Macht Ihnen diese Person den Vorwurf, Sie seien ein totaler Versager, würden Sie sich schnurstracks von dieser ungerechten Beurteilung distanzieren: Sie würden auf Ihre Erfolge und Verdienste hinweisen und damit die haltlosen Worte entkräften. Oder diese Person schlichtweg ignorieren.

Der Innere Kritiker ist Ihnen aber wohlgesonnen. Er kennt Sie zudem besser als diese unangenehme Person das wahrscheinlich tut. Deshalb nehmen wir den Vorwurf des Kritikers oft ernster. Die Beleidigung kann dann noch so ungerechtfertigt sein – wir setzen uns häufig nicht dagegen zur Wehr, sondern nehmen sie als von innen heraus entstandene Wahrheit hin.

Wie können Sie aus dieser Zwickmühle raus?

Optimisten nutzen Argumente von „extern“

Wenn Ihr Innerer Kritiker wieder einmal einen „Fakt“ von sich gibt, schreiben Sie ihn auf. Danach finden Sie ein wohlwollenderes Gegenargument. Eine Handvoll Fragen (MacDonald, 2004) können Ihnen helfen, diese vermeintlich „schlechten“ Gedanken sogar zu nutzen und auf hilfreiche Ideen zu kommen (hier am Beispiel der Bewerbung von oben):

  • Was könnte diese Situation oder Erfahrung sonst noch bedeuten? (möglicherweise das neue Wissen, nicht zum Arbeitgeber zu passen oder dort nichts zu finden, was meinen Interessen entspricht)
  • Was kann Gutes daraus entstehen? (z.B. an meiner Klarheit im Interview zu feilen, meine Ziele bewusster zu stecken und damit auch mir persönlich Klarheit zu verschaffen, unabhängig vom neuen Job)
  • Welche Möglichkeiten bieten sich dadurch für mich? (evtl. das Wissen, was ich will und ganz besonders auch, was ich nicht will)
  • Was kann ich daraus für die Zukunft lernen? (z.B. nicht zu sehr auf das zuzugehen, was der neue Arbeitgeber fordert, sondern auch sich selbst sicher zu sein, wohin die Reise gehen soll)
  • Habe ich als Resultat sogar Stärken daraus entwickelt?

Sind Sie einem Optimisten auf der Spur, können Sie erkennen, dass diese den negativen Gedanken sportlich nehmen und überprüfen. Auch Sie können nach Beweisen fragen, die eine „Wahrheit“ unterstützt. Wenn Sie keine finden, die realistisch und für Sie auch wirklich glaubhaft sind, dann ist der Gedanke schon fast ausgehebelt.

Nutzen Sie Ihre Fähigkeit, sich argumentativ durchzusetzen – egal ob gegen Menschen, die Ihnen unbegründet etwas Negatives anheften wollen oder Ihren Inneren Kritiker, der wieder einmal Aufmerksamkeit benötigt.

Um das Bewusstmachen dieser eingrenzenden Gedanken zu verstärken, können Sie auch die Hilfen nutzen, mit denen Sie sich z.B. das Lästern oder unkonstruktive Nölen abgewöhnen: Wechseln Sie Ihr Armband , stecken Sie einen Cent in ein Nörgel-Glas oder einen Kieselstein von einer Hosentasche in die andere.

Das schafft Bewusstsein für diese negativen Gedanken und macht es einfacher, sich mit ihnen lösungsorientiert auseinander zu setzen.

Prävention von Depression bei Kindern

In einem 12-Wochen-Programm zur Prevention für Schulkinder wendeten 5. und 6.-Klässler erfolgreich eine ähnliche Übung an (Gillham, 1999), um ihren Optimismus zu stärken:

Die Schüler lernten negative Erklärungen zu erkennen (z.B. „Mein Freund ruft mich heute nicht an. Er muss mich hassen.“) und sie unter die Lupe zu nehmen (z.B. mit der Frage „Welchen Beweis habe ich, dass das wirklich wahr ist?“) und danach positivere Alternativ-Gedanken zu formulieren (wie z.B. „Wahrscheinlich ist er gerade zu beschäftigt.“).

Erstaunlicherweise waren die die Übung nutzenden Kinder im Durchschnitt 2 Jahre lang weniger depressiv als die Kinder einer Kontrollgruppe ohne diese Übung (Seligman, 2005).

Was für Kinder funktioniert, dürfte es auch wert sein, von Erwachsenen ausprobiert zu werden! Versuchen Sie es doch heute bewusst einmal:

  1. negative Gedankengänge oder Erklärungen identifizieren
  2. wie Sherlock Holmes sachlich nach Beweisen suchen, die diese Gedanken unterstützen könnten
  3. wenn Sie keine finden, nach alternativen Erklärungen suchen

Sollten Sie doch einmal eine sachliche Erklärung für einen negativen Gedanken finden, lassen Sie sich nicht entmutigen. Überlegen Sie, welche Ausnahmen es zu diesem Fakt bereits in Ihrer Geschichte gibt, denn die gibt es 100%ig!

Sie werden überrascht sein, wie häufig Sie dies gewaltige Schritte nach vorne bringt bei Ihrem Weg zu mehr Optimismus!

Und wenn Sie immer noch keine positiven Gegenargumente gefunden haben, dann haben Sie einen wunderbaren Start für eine tiefere, aber bewusste Auseinandersetzung mit diesen Gedanken und den Lösungen dazu.

Sie können also nur gewinnen! 🙂

Foto: Victor Bezrukov on flickr

Literatur

Gillham, J. E., & Reivich, K. J. (1999). Prevention of depressive symptoms in school children: A research update. Psychological Science; Psychological Science.

MacDonald, L. (2004). Learn to be an Optimistir?t=wawawe0f 21&l=as2&o=3&a=1907486852San Francisco: Chronicle Books.

Seligman, M. (2005). Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe.