Positive Psychologie steigert unser Wohlbefinden – sie hilft also dabei, Menschen glücklicher zu machen.
Positive Psychologie zu lehren, darüber Forschung zu betreiben, sie beim Coaching mit Einzelpersonen und Gruppen einzusetzen, sie Studenten oder sogar Zehntklässlern als Hausaufgabe aufzugeben – all das macht Menschen glücklicher.
Nur darüber zu lesen, macht glücklicher.

Aber reicht das? Kann man nicht mehr machen?

Beim zweiten Symposium der Positiven Psychologie in Heidelberg habe nicht nur ich mir diese Frage gestellt, sondern auch führende „Glücksforscher“ der Welt, allen voran Martin Seligman, dem Gründer der Positiven Psychologie.
Im Gegensatz zu mir hatten sie auch Antworten im Gepäck.

Zu wissen, dass man von positiven Gefühle, Flow, Sinn, Liebe, Dankbarkeit, Wachstum oder besseren Beziehungen im Leben mehr haben kann und dazu nur ganz einfach anzuwendende Übungen ausreichen – kann lebensverändernd sein. Das lässt einen aufblühen (engl. „Flourish„), wie das neue Buch des Erfinders der Positiven Psychologie gut und schlüssig darlegt.

Doch das ist keine Buchbesprechung. Vielmehr geht es hier um die Übungen, die durch Martin Seligman, seine Kollegen und auch seine Studenten in jahrelanger Forschung und Anwendung getestet wurden. Seligman probierte diese nicht nur an sich, seiner Familie und seinen Studenten mit Erfolg aus, sondern validierte die Übungen durch wissenschaftliche Versuche mit Kontroll- und Placebogruppen.

Und machte sie damit wasserdicht.

In den Jahren seit 1996 (seiner Übernahme des Präsidentenamtes der APA) hat sich dadurch ein Perspektivenwechsel ergeben. Nicht nur bei ihm, seiner Familie und seinen Studenten. In der gesamten Psychologie.

Und auch bei mir.

Aber was ist Positive Psychologie?

Es geht nicht mehr nur darum, Schäden zu begrenzen – und von minus acht auf minus zwei der Befindlichkeitsskala zu kommen, sondern wie wir uns von plus zwei auf plus fünf verbessern können.
–Martin P. Seligman

Die Positive Psychologie (im Deutschen Raum auch verstärkt unter dem Namen Glücksforschung bekannt) verfolgt also nicht mehr nur das Ziel, Mängel zu beheben und belastende Dingen wie Depression, Alkoholismus, Schizophrenie, Traumata und Schmerzen zu heilen, also vermeintliche Defizite zu beheben. Sie dreht sich vielmehr um die vorhandenen Ressourcen und will das Beste im Menschen aufbauen.

So folgt dem, was man schon aus dem Coaching kennt (der lösungsfokussierte Ansatz nach Steve deShazer und Insoo Kim Berg), ein weitaus größerer, wissenschaftlich geprüfter Ansatz.

Seligman beschreibt seinen Ansatz zur Erklärung mit dem Konzept PERMA und hat zusammen mit Chris Peterson einen Katalog von Bereichen geschaffen, auf denen spezieller Fokus liegen soll.

Auf welche Eigenschaften wird speziell die Aufmerksamkeit gelegt?

Jeder Mensch hat eine Vielzahl guter Eigenschaften. Selbst zynische, immerwährend mies gelaunte Menschen haben diese, wenn sie diese möglicherweise auch nicht offen für andere zeigen. Der Kern der Positiven Psychologie (zumindest nach Marty Seligman und Chris Peterson – die Herren und Damen rund um Alex Linley gehen auf weit mehr ein) basiert auf 6 Bereichen, denen jeweils Eigenschaften zugeteilt sind, die je nach Person verschieden stark ausschlagen und gelebt werden.

Weisheit und Wissen Mut Menschlichkeit
1. Kreativität
2. Neugier
3. Urteilsvermögen
4. Liebe zum Lernen
5. Weitsicht
6. Tapferkeit
7. Ausdauer
8. Ehrlichkeit
9. Tatendrang
10. Liebesfähigkeit
11. Freundlichkeit
12. Soziale Kompetenz
     
Gerechtigkeit Mäßigung Transzendenz
13. Teamfähigkeit
14. Fairness
15. Führungsvermögen
16. Vergebensbereitschaft
17. Bescheidenheit
18. Besonnenheit
19. Selbstregulation
20. Sinn für das Schöne
21. Dankbarkeit
22. Hoffnung
23. Humor
24. Spiritualität/ Religiosität

Wer so neugierig ist wie ich, der kann sich im Fragebogen auf www.charakterstaerken.org der Universität Zürich seine Stärken näher beleuchten lassen. Der Originalfragebogen (und noch viele andere interessante) findet sich auf der Homepage von Martin Seligman über die University of Pennsylvania.

Und wo wir gerade bei Fragebögen sind: bevor Sie die im Folgenden vorgeschlagenen Übungen in die Tat umsetzen, sollten Sie Ihr jetziges subjektives Level an Wohlbefinden aufnehmen. Das geht z.B. mit dem Oxford Happiness Questionnaire des Oxford Happiness Projects.

Auch in Deutschland ist diese ressourcenorientierte Bewegung angekommen. An vielen Universitäten etabliert sich die Positive Psychologie, an einigen ist sie bereits fest im Lehrplan verankert (Spitzenreiter ist derzeit die Uni Bochum mit derzeit 10 bisher angebotenen Lehrveranstaltungen) und hat einen Effekt auf Studenten und deren Umfeld.

Dort entstehen immer neue Ideen, wie der Fokus auf das Positive nicht nur schwer Depressiven zu mehr Wohlbefinden verhelfen kann, sondern wie auch „Gesunde“ davon profitieren und mehr Fröhlichkeit und Glücksempfinden in ihr Leben bringen.

So, wie an diesem Symposium die geballte Ladung wissbegieriger Glücksforscher auf einem Fleck versammelt waren und die Energie von dem Wunsch, die Welt zu einem besseren Fleck zu machen, prickelnd zu spüren war, so sollen auch die folgenden Übungen Energie für Mehr geben.

Und was könnte es Schöneres geben, als einen Großteil dieser bewährten Methoden an einer Stelle zu haben!

Theorie und Praxis

Nehmen Sie sich diese Übungen zu Herzen. Egal, ob im Privaten oder im Beruf (z.B. als Therapeut, Coach, Organisationsentwickler o.ä.). Gehen Sie unbeschwert ans Werk und zwar am besten zusammen mit einer guten Freundin, Ihrem Partner, vielleicht einem Elternteil, der Ihnen schon seit einiger Zeit zu negativ vorkommt.

Die Hauptsache ist: tauschen Sie sich aus und besprechen Sie Ihre Erfahrungen.
Stift und Papier nicht vergessen!
Denn wie bereits erwähnt: alleine das Schreiben, Reden und Lesen über das, was Sie jetzt erfahren werden, hat schon eine Wirkung. Los geht’s!

  1. die Was-lief-gut-Übung (The 3 Blessings)
  2. ein Nachruf unter Lebenden – das Wissen vor dem Tod
  3. der Dankbarkeitsbrief
  4. zufällige Aktionen der Freundlichkeit
  5. Wann sind Sie am besten? – Reflected Best Self
  6. Wie kann ich helfen? Der geniale Reziprozitäts-Ring!

 
Mehr erfahren

Eine sehr schön kompakte aber sehr verständliche Übersicht über andere Glückskonzepte und -ansätze findet sich auf Charly’s Glücksarchiv.de.

Foto: Erix – Herz